Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Oberschenkeln.
Die Wandbespannungen ringsum waren schwarz. Die neue Einrichtung mahnte zur Stille: Sie alle behielten ihre Überlegungen für sich. Die drei jungen Leute erholten sich rasch und gingen auf die mit Schnitzereien verzierte Holztreppe zu, die zu den offenen Galerien rechts des Throns hinaufführte. Da das Holz unter ihren Schritten knarrte, waren sie gezwungen, ein wenig langsamer zu gehen. Sie zogen alle drei die Schwerter, aber wie der Zufall es wollte, waren die Galerien menschenleer.
»Wir können uns nicht weiter vorwagen«, murmelte Elea. »Muht wird Andins Geist und meinen spüren, wenn das nicht schon geschehen ist. Wir müssen abwarten und lauschen.«
Stimmen klangen aus dem Saal herauf. Wo waren die anderen? Die drei Nachzügler kamen mitten in ein Gespräch hinein.
»Mein Vorgänger ist auf den unglücklichen Gedanken verfallen, sich als Witwer mit mehreren Frauen zu trösten. Eine von ihnen, die Anstandsdame der Prinzessinnen, hat grenzenlose Eifersucht auf ihre Rivalinnen entwickelt. Vielleicht hatte der König ihr Hoffnung auf eine Heirat gemacht, oder zumindest darauf, sie zu bevorzugen– er hat es sich jedenfalls anders überlegt. Fest steht, dass sie ihn kaltblütig vergiftet hat. Von Reue überkommen wurde sie sich der Schwere ihres Vergehens bewusst und beging unmittelbar danach Selbstmord.«
»Sind das alle Verleumdungen, die Ihr auf das Grab meines Vaters speien wollt?«
Korta wandte den Kopf zu der jungen Prinzessin, die abrupt ihr Gesicht enthüllt hatte.
»Eline?«, fragte er mit geheucheltem Erstaunen. »Erkenne ich da etwa Eure Stimme?«
»Tut nicht so, als ob Ihr nicht auch mein Gesicht kennen würdet. Es wäre mir lieb, wenn die Verbotenen Gesetze noch Gültigkeit besäßen, nur, um Euren Kopf unter der Axt des Henkers fallen zu sehen.«
»Ich sehe, dass Ihr selbstsicherer geworden seid. Ich danke Euch, geschätzter Herrscher, dass Ihr mir meine künftige Frau zurückgebracht habt.«
»Ich bin keineswegs hier, um Euch zu heiraten. Ich komme, um Euch meinen Thron wieder abzunehmen«, antwortete Eline kalt.
»Habt Ihr dazu endlich den Mut? Bei Eurer Flucht war ich überzeugt, dass Ihr aus freiem Willen all Eure Rechte und Privilegien aufgegeben hättet. Euer Vater hatte Eure Charakterschwäche vorausgesehen und wollte Euch deshalb mir übergeben. Er versuchte so, Euch vor der Trägheit und dem Wahnsinn, die in der Familie liegen, zu schützen.«
»Mein Vater war niemals wahnsinnig. Allerdings kann ich nicht dasselbe von Euch behaupten, der Ihr Euch für einen Herrscher ausgebt.«
»Ich verfüge über Papiere, die belegen…«
»Dokumente lassen sich fälschen, und ich bin sicher, dass es bei diesen hier so war.«
Korta verstummte angesichts von Elines Kühnheit, streckte aber dann doch die Hand in ihre Richtung.
»Und was sagt Ihr zu diesem Ring, wenn Euer Vater ihn mir nicht vererbt hat?«
»Das da ist eine prächtige Kopie. Wenn Ihr Euch besser in der Geschichte auskennen würdet, wäre sie sogar perfekt.«
Korta war verblüfft. War es möglich, dass Eline den Ring ihres Vaters hatte? Das mochte eine Erklärung dafür sein, dass es ihm nicht gelungen war, das Schmuckstück, das die Macht symbolisierte, in die Hand zu bekommen.
»Der Stein Eures Rings ist nur sechseckig«, sagte Eline mit einem triumphierenden Lächeln, »auf ganz gewöhnliche Weise regelmäßig geschliffen. Der Rubin meines Vaters hatte dagegen sieben Facetten, denn als das Königreich Leiland gegründet wurde, gab es in dem abgewirtschafteten Gebiet nur noch sieben hochadlige Familien. Wenn Ihr mir nicht glaubt, dann zeigt doch das Siegel Eurer Macht.«
In dem Schweigen, das diese Herausforderung beantwortete, sah Cedric Prinzessin Eline zum ersten Mal. Dicht gefolgt von Andin war er bis zum Geländer gleich neben dem Thron geschlichen. Er wollte sich nicht sofort zeigen und hatte sich deshalb auf dem Boden auf den Teppichen ausgestreckt. Aber trotz aller Angst vor Muht hatte die Neugier des Kronprinzen auf der Suche nach seiner Schönen die Oberhand gewonnen. Der Drang, sie zu sehen, war stärker gewesen als er. Er hatte den Kopf gehoben.
Eline war in seinem Herzen bereits seine Frau. Er hatte immer auf die Kräfte der Feen vertraut. Cedric war seit langem bereit, blind diejenige zu heiraten, die ihm von den Feen bestimmt worden war. Aber seit einem Monat liebte er Eline darüber hinaus aufrichtig. Der Geist, der hinter den Briefen gestanden hatte, die Kühnheit der Worte und die
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