Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Thronsaal war nicht mehr weit, und sonst zählte nichts. Das unterschwellige Grollen ringsum hörten sie nicht mehr. Sie sahen nicht, dass die Amalyse wieder aus dem Wasser hervorkroch.
Die von Frederik von Pandema angeführte Truppe stieg ebenfalls eine Treppe hinauf und gelangte in endlose Korridore. Der verlogene Führer beschrieb von Neuem die Freude des Königs von Leiland darüber, sie in seinem Palast begrüßen zu dürfen, während Soldaten aus der Nachhut jeweils dann ausschwärmten, wenn der Zugang zu einem der Geheimgänge erreicht war, die Eline ihnen beschrieben hatte. Die Gänge waren düster, in Schwarz und Rot gehalten. Elisa war ein wenig erstaunt über diese Verzierungen, und nicht etwa, weil sie sechs Jahre lang geschlafen hatte: Auch Eline war überrascht. Die Korridore, die sie so gut kannte, waren immer noch mit so vielen Kerzenständern wie früher bestückt, und dass einige Wandteppiche ausgetauscht worden waren, konnte nicht allein dafür gesorgt haben, dass die prächtigen Räume nun so unheimlich wirkten. Doch alle glaubten, dass nur die Angst ihnen den Blick trübte. Ein unangenehmer Geruch stieg ihnen in die Nase.
Als die zweiflügligen Türen des Thronsaals aufschwangen, erhielten alle die Bestätigung, dass die Furcht allein ihre Umgebung nicht derart verzerren konnte. Trotz der hohen Decke ließ die drückende, ungesunde Luft sie nach Atem ringen. Die Feuer in den gewaltigen Kaminen versuchten, den riesigen Raum zu erleuchten, aber ihr Licht durchdrang, ebenso wie das der Kronleuchter, die Dunkelheit kaum. Sogar die Fenstertüren der Balkone ließen keine Helligkeit ein. Die Nacht war schlagartig angebrochen, schwärzer als Kohle, ohne Monde und ohne Sterne. Kein Windhauch regte sich. Die Luft stand still, wie die Zeit.
Frederik von Pandema und seinen Edelleuten entging nicht, dass große Männer in Kaseln entlang der Wände Aufstellung genommen hatten. Selene, Erwan, Estelle und Ophelia hielten nach Imma und ihren kleinen Ausreißern Ausschau, aber der Hofstaat, der sich im Saal wie eine verängstigte Schafherde drängte, bildete eine zu dichte Menschenmenge, als dass man irgendjemanden hätte erkennen können.
Inmitten dieser Angst einflößenden Atmosphäre erstrahlte nur der Thronhimmel in einem trüben Licht, das nicht sehr weit reichte. Muht und Gorth standen dort, die Glasmasken vor den Augen. Korta– jüngst in den Rang des Königs von Leiland aufgestiegen, in prächtige schwarze Gewänder gehüllt und mit dunklen Augenringen, die seine gelbliche Hautfarbe unterstrichen– thronte im schwachen Licht zwischen ihnen.
Als Eline einen dicken Rubinring an einem seiner Finger erblickte, hatte sie plötzlich Angst um den jungen Thalan, aber dann sah sie den Jungen bei bester Gesundheit am Fuße der Thronstufen stehen. Kerzengerade und genauso düster gekleidet, wie der ganze Palast wirkte, kam der Page immer noch seinen Aufgaben nach. Er verbarg seinen Hass auf den neuen König und sein doppeltes Spiel hinter einer ausdruckslosen Miene. Nicht einmal der Schatten eines Lächelns streifte beim Anblick des Königs von Pandema und seines Gefolges Thalans Lippen. Doch er wusste, dass Prinzessin Eline unter den sechs mit Kapuzen verhüllten Frauen war. Aber seit Muht zurückgekehrt war, hatte er Thalan nicht aus den Augen gelassen und ihm stets misstraut.
»Was für eine angenehme Überraschung, dass Ihr mein Königreich aufsucht, Majestät!«, bemerkte Korta unvermittelt an Frederik von Pandema gewandt.
Seine Stimme war ausdruckslos; es fehlte ihr an der Herzlichkeit, die diesen Worten angemessen gewesen wäre. Sie hallte in der Kälte des Saals wider. Korta machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu erheben oder sonst zu bewegen.
»Ich habe die Absicht, im Herbst die Nachbarkönigreiche zu besuchen. Ihr kommt meinen Plänen zuvor.«
»Ich habe auf Eurem Hof bemerkt, dass Ihr viele Verräter zu köpfen und Rebellen zu hängen hattet. Das verschlingt viel Zeit«, gab Frederik sarkastisch zurück.
»In der Tat. Ich habe einige Schwierigkeiten damit, die Ordnung im Lande wiederherzustellen. Es ist nicht immer einfach, einem König nachzufolgen, der über keinerlei Autorität verfügte«, antwortete Korta leichthin.
Im königlichen Schreibzimmer bewegte sich ein Wandpaneel. Andin steckte als Erster den Kopf ins Zimmer und schlüpfte dann hinein, gefolgt von Elea und Cedric. Die junge Frau keuchte und stützte die Hände auf die Beine: Sie spürte den Aufstieg in den
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