Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Schritt zu halten. Schließlich war er nicht mehr zwanzig Jahre alt!
Ein dicker Koloss hatte es darauf abgesehen, ihn an der Kreuzung mehrerer unterirdischer Gänge in die Enge zu treiben. Der Akaler wich ihm geschmeidig aus und versuchte nicht einmal, sich zum Kampf zu stellen: Er hatte keine Zeit, und diese Begegnung verschaffte ihm nur einen Grund mehr zu laufen. Erneut bedauerte er es, seine Pulver in den Burggräben verloren zu haben.
Imma saß schon neben Elea im Boot, als Erwan auf die letzte gerade Strecke hinausgeschossen kam. Andin und Ceban standen am Ufer und zielten mit ihren Pfeilen in seine Richtung. Der Zwerg hörte, wie Körper hinter ihm krachend zu Boden stürzten, und nach der Zahl der Pfeile zu urteilen, die die beiden geschickten jungen Männer abschossen, rannte er nicht als Einziger.
Der Akaler sprang zugleich mit Andin ins Boot; sie zogen die Schwerter, um sie als Ruder einzusetzen. Aber Ceban blieb an Land stehen.
»Ceban! Spring!«, schrie Andin.
»Ich warte auf Korta!«, zischte Ceban mit zusammengebissenen Zähnen und spannte die Sehne seines Bogens. »Diesmal verfehle ich ihn nicht!«
»Spring sofort!«, drängten seine beiden Freunde ihn.
Das Grollen kam näher, und das Wasser in der Höhle schien zu erzittern. Ceban zögerte noch eine Sekunde. Der Nachen entfernte sich vom Ufer. Er warf seinen Bogen weg und sprang. Wie schon vorhin packte er Andins Hand und ließ die nackten Füße nur kurz ins Wasser baumeln.
Der Ausgang war nur noch zwei Klafter weit entfernt. Ibbak blähte sich in der Grotte auf wie der Rauch einer Explosion und formte sich zu einem Schreckensgesicht. Im letzten Moment versuchte er, das Boot mit seinen Reißzähnen aus Rauch zu packen. Die einzig verbliebene Opaline begann mit aller Kraft herumzuwirbeln, um dem Hexergeist den Weg abzuschneiden. Ihr Gesang war beinahe wie ein Schrei, der zwischen die Fetzen aus rotem Rauch fuhr, die das monströse Gesicht zerteilten. In dem Moment, als das Boot den Höhlenausgang erreichte, gelang es der Opaline, ihm zu folgen.
Andin!
Im Licht eines noch fahlen Tages, an dem die Monde vergessen hatten unterzugehen, wandte der junge Mann sich um und streckte die Hand aus. Die Opaline ergriff seinen Finger, und die letzten Augenblicke ihres Lebens vergingen. Andin hielt nur noch einen Seidenfaden in der Hand, und der Wassertropfen, der die kleine Gottheit ins Leben gerufen hatte, glitt wie eine Träne über sein Handgelenk.
Andin hatte keine Zeit, traurig zu sein; seine Finger schlossen sich nur um den Faden, bevor er ins Wasser fallen konnte. Joran, der sie am Ausgang erwartete, hatte gleichzeitig mit den Sarikeln das Boot gepackt. Und aus der Höhle, in der das Wasser mehr und mehr aufwallte, brandete eine schwarze Amalysenwelle hervor!
Warum greift sie jetzt wieder an?, fragte Andin sich.
Die Amalyse verfolgte unter Ibbaks Einfluss Elea, ohne sich weiter um ihre Retter zu kümmern. Aber die Sarikeln hatten ihrerseits Befehl, alles zu zerstören. Wie bei ihrer letzten Begegnung stellte die Amalyse für die Wächter der Burg eine weitaus interessantere Beute dar als die menschlichen Eindringlinge. Die Sarikeln ließen das Boot los und stürzten sich auf die Mörderpflanze.
Trotz des Protestgeschreis, das aus der Höhle ertönte, sahen Ceban, Erwan und Andin das letzte Hindernis ihrer Expedition unter dem Aufspritzen von Wasser und dumpfem Grollen verschwinden. Joran brachte sie rasch auf der Ringmauer in Sicherheit. Dennoch hatte keiner von ihnen den Eindruck, Erfolg gehabt zu haben. Sie hatten Elea zurückgeholt, aber in welchem Zustand? Sie erwachte noch nicht einmal unter Andins Liebkosungen. Und niemand konnte die Tränen aufhalten, die ihr aus den Augen strömten.
Imma war erneut ohnmächtig geworden. Ihr Körper lag wie erstarrt im Boot, und ihre Lider hoben sich nicht mehr. Joran hob die Hexe hoch, um rasch in den Verbotenen Wald zurückzukehren. Neben ihm trug Andin Elea. Ceban und Erwan kümmerten sich ein bisschen weiter hinten zusammen mit Allan und Theon, die enttäuscht und besorgt waren, um das Boot.
Das Ungeheuer empfand keine Feindseligkeit mehr gegen Andin, so, als hätte es endlich seine Reißzähne und seinen Hass aufgegeben.
»Ich hätte ahnen sollen, dass Imma dem Hexergeist Ibbak schon begegnet ist«, machte es sich Vorwürfe. »Ihr Körper erinnert sich an all die Qualen, die er sie damals hat erleiden lassen: Jedes Mal, wenn sie wieder unter seinen Einfluss gerät, wird es ihr schlecht gehen.
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