Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Brücke-ohne-Wiederkehr!
»Zum letzten Mal, Erwan, geh beiseite! Meine Victoria, meine Tochter, ist tot. Nun wird mich nichts und niemand mehr daran hindern, ein Ungeheuer zu bleiben. Ich habe einen vierhundert Jahre alten Rachedurst zu stillen und muss mein Versprechen einhalten, jemanden zu töten. Du möchtest doch wohl trotz allem nicht für deine Überzeugungen sterben?«
»Sie sind es aber, die uns am Leben halten«, gab der Akaler zurück.
»Du hast es so gewollt!«
Aber ein durchdringender Schrei ertönte hinter Joran, der aus höchster Liebe geborene Schrei eines Kindes, das seinen Vater retten wollte.
»Vic ist am Leben! Tu meinem Vater nicht weh!«
Der Engel erschien. Weiß schimmernd erhellte Chloe einen Augenblick lang die Nacht; Tränen funkelten auf ihren Wangen.
»Du bist wütend, Joran, aber ich weiß, dass es Vic gut geht!«
Sie hatte alles jäh unterbrochen, den Kampf aufgehalten und die Blicke erstarren lassen.
»Ich weiß nicht, wo sie ist, ich weiß nicht, was in ihrem Kopf vorgeht, aber ich spüre sie immer noch! Du darfst Andin nicht töten!«
Bevor irgendjemand ihr ins Wort fallen konnte, stürzte sie sich in die Arme ihres Vaters, der ganz betäubt von all diesen Enthüllungen war.
»Oh! Verzeih mir, Papa! Ich sehe– ich sehe auch. Ich verfüge über die Macht der Scylen. Aber ich bin nicht böse. Ich will nicht, dass Joran dir etwas tut! Ich habe dich lieb!«
Der Akaler ließ das Schwert los und drückte seine Tochter an sich. Er hatte den Eindruck, sein Kind zum ersten Mal in seinem Leben wirklich zu sehen.
»Du… Ich… Ich habe dich auch lieb, mein Engel«, antwortete er ihr ein wenig verloren und küsste sie auf die Haare.
Chloe seufzte vor Freude.
Joran versuchte, die Beherrschung ein wenig zurückzugewinnen. Die Ankunft des kleinen Mädchens hatte seine hasserfüllten Pläne völlig durchkreuzt. Er sah, wie Andin sich aufrichtete, als könne die Hoffnung seine Wunden heilen. Aber das Ungeheuer selbst glaubte noch nicht an das, was Chloe gesagt hatte.
»Ich habe sie sterben sehen, Chloe.«
Getröstet von der Umarmung ihres Vaters, der sie trotz seiner Verblüffung beschützte, antwortete sie ihm überzeugt: »Nein, du hast sie zu Boden stürzen sehen. Korta hat sie bewusstlos geschlagen, aber nicht getötet. Ich lese Bilder besser, als du siehst. Vic ist zu stark, als dass ein Schlag auf den Kopf sie töten könnte.«
Joran gaffte sie mit offenem Mund an. Es gelang ihm nicht, daran zu glauben, und dennoch…
Hufschläge ertönten in der Stille.
»Sie sagt die Wahrheit, Joran, oder wer Ihr auch seid, dass Ihr ein kleines Mädchen zwingt, ein so schreckliches Geheimnis zu verraten.«
Imma kam auf Nis’ Rücken aus dem Unterholz hervorgeritten. Nur ihre weißen, blinden Augen waren im Dunkeln zu sehen.
»Chloe verfügt von Geburt an über die Macht, mehr zu sehen, als die Augen es vermögen. Ich verstehe, wie ungern sie das zugibt, aber ich frage mich auch, woher sie den Mut nimmt, in Eurem Herzen und Eurem Verstand zu lesen.«
Ihr Tonfall war harsch und vernichtend. Die Enttäuschung war ihr unschwer anzuhören.
»Was kann sie schon sehen– bis auf ein Meer aus Galle? Ich danke Euch dafür, dass Ihr nicht zugelassen habt, dass ich es je erblickte. Ihr verfügt über wundersame Kräfte, aber Euer Geist nährt sich nur von Hass und Rache. Vic tut Unrecht daran, so viel Hoffnung auf Euch zu setzen.«
Sie seufzte und holte Atem.
»Wenn Ihr mit mir gesprochen habt, hatte ich immer den Eindruck, Ihr würdet auf den Knien liegen oder auf einem Baum sitzen. Ihr habt mir mehr Ehre als einer Königin erwiesen– und seid dann wie ein Vogel verschwunden. Aber wer Ihr auch seid, was Ihr auch seid: Ich bin mir jetzt bewusst, dass Ihr nicht mehr wert seid als eine Schlange. Ihr seid voller Gift. Victoria ist am Leben, wie Chloe uns sagt, und ich glaube ihr. Warum vergeudet Ihr Eure Kraft darauf, Euch gegenseitig umzubringen? Wäre es nicht besser, zu versuchen, Vic zu retten?«
Das Geräusch eiliger Schritte durchs Gras war im Wald zu hören. Sie kamen, alle weiß gekleidet wie Gespenster. Allan stützte den verwundeten Ceban, Estelle half zusammen mit Theon ihrem Mann, der sich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn gehen konnte. Virgine, Ophelia und Selene trugen auf den Armen die Kinder jeglichen Alters, die schliefen. Die guten Seelen des Verbotenen Waldes wollten fliehen.
Joran konnte die Gesichter seiner Gäste nicht gut erkennen, aber er spürte, dass sie
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