Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Herzen.
Kein einziges Mal dachte er an den Todesgestank Ibbaks und seines bösen Hexenwerks zurück, ganz so, als wären die Feen die Einzigen, die seine Erinnerungen begleiteten, um ihn dazu zu treiben, so schnell wie möglich zurückzukehren.
Nis lief kraftvoll und trug ihren Herrn rasch in weite Ferne, bevor er es sich noch anders überlegen konnte. Ihre Hufe wirbelten weiche Erdklumpen auf. Sie eilte Hügel hinauf, sauste über Wiesen und Felder, setzte über Flüsse und freute sich auf jedes Hindernis, das sie selbstbewusst überwand. Nichts schien sie aufhalten zu können. Von weitem hätte man glauben können, dass sie über den Boden flog.
Andin ritt in gerader Linie nach Osten, um so schnell wie möglich dem Einfluss Leilands zu entgehen. Er plante, erst die Grenze zu überschreiten und dann in Akal in die Stadt Cithaya hinabzureiten.
Er hielt nicht an, um zu essen oder zu trinken, und konzentrierte sich auf die Ausdauer seiner Stute, um alles zu vergessen, was er hinter sich zurückließ. Dennoch hörte er am frühen Nachmittag die Glocken läuten. Es war aber kein Alarm. Andin kannte nicht alle leiländischen Bräuche, und so achtete er nicht auf die langsamen, dumpfen Schläge. Da er kein Dorf durchquerte, fand er keine Gelegenheit, in Erfahrung zu bringen, was dieses Geläut zu bedeuten hatte, und setzte mit verhängten Zügeln seinen Weg fort.
Leider handelte es sich beim Läuten der Dorfglocken um das Echo derer der Burg: Dem Volk wurde der Tod des Königs verkündet.
Elea war schon den Vormittag über bedrückt gewesen, da er ihr sehr leer erschienen war; diese Klänge schmetterten sie vollends nieder. Sie hielt sich mit Tränen in den Augen aufrecht, während alle Leiländer sich niederwarfen, selbst Erwan und Selene. Elea hatte zwar den König kaum gekannt, der nur dem Blut nach ihr Vater gewesen war, doch es war ein Verlust mehr– ein Verlust zu viel.
Abermals spürte sie, wie eine Hand sich auf ihre Schulter legte. Sie wollte sich in Cebans Arme werfen, wurde sich aber im letzten Augenblick bewusst, dass Joran derjenige war, der sie hielt. Zum ersten Mal gestattete er sich solch eine zärtliche Geste. Elea wagte es dennoch nicht, in seinen Armen Zuflucht zu suchen. Sie sah in die großen, gelben Augen, die sie väterlich betrachteten. Lange herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann drückte Joran ihr noch einmal die Schulter.
»Wir müssen unbedingt deine Schwestern suchen– sie sind jetzt in Gefahr.«
Eline hielt sich ebenso aufrecht, als sie den düsteren Glockenklang hörte. In ihrem Kerker lauschte sie dem dumpfen Schall, dessen Takt und Töne keinen Zweifel über seine Bedeutung erlaubten. Der Blick ihrer blauen Augen war auf den schmutzigen Steinboden gerichtet; sie hatte keine Tränen mehr. Sie hatte den Ring ihrer Mutter an sich genommen und wieder an den Finger gesteckt. Denn sie war nun Königin und trotz aller äußeren Umstände musste sie sich des letzten Willens ihres Vaters würdig erweisen.
Muntere Schritte durchbrachen die Grabesruhe des Gangs, an dem die Zellen lagen. War das vielleicht Thalan, der zurückkehrte, um sie abzuholen? Der Junge hatte die Schlüssel sicher an der Leiche des Herzogs von Alekant gefunden. Eline rührte sich nicht. Sie verharrte noch ein wenig in jenem großen Gefühl von Einsamkeit, das sie umgab.
Doch das Gitter öffnete sich so laut und derart heftig, dass sie sich umdrehen musste. Sofort verlor sie jegliche Hoffnung auf ein Überleben: Korta stand vor ihr! Sie starrte ihn überrascht und aufs Äußerste entsetzt an. Er war am Leben. Seine Haut war gelb, er hatte große, schwarze Schatten unter den Augen und stank nach Tod, aber er war am Leben! Das war nicht möglich!
Eline schrie vor Schrecken und Zorn beinahe auf. Ihr Vater war doch wohl nicht einfach gestorben und hatte dieses Monster zurückgelassen?
»Hört Ihr die Glocken?«, schleuderte Korta ihr drohend entgegen. »Ihr seid jetzt allein! Ich habe einen König getötet– nun wird mich nichts mehr aufhalten. Das hätte ich schon längst tun sollen!«, brach es aus ihm hervor, als er Eline gewaltsam am Arm packte.
Die Prinzessin war viel zu erschrocken, um sich gegen ihn zu wehren. Die fadenscheinige Decke, die sie sich um die Schultern geschlungen hatte, fiel bei der Bewegung zu Boden. Obwohl sie ein Nachthemd trug, hatte sie den Eindruck, nackt und verletzlich vor dem Herzog zu stehen.
»Euer Vater hat versucht, mich zu töten. Ich hatte sein Glas vergiftet, aber in seiner
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