Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Tücke hatte er schon Gift in den Wein gegeben! Die ganze Nacht habe ich gegen seine Wirkung angekämpft, und da der König nun tot ist, werde ich all mein Leid an Euch rächen. Ich werde Euch zwingen, das Wort ›Heirat‹ auszuspeien! Ich sehe, dass Ihr Euren Ring wieder angesteckt habt. Nun gut– kommt, meine Königin der Schmerzen! Ich brauche Euren Thron.«
Er wollte Eline mitziehen, die zur bloßen Marionette geworden war, als etwas ihn unterbrach.
»Wo bin ich?«, fragte Elisa panisch; sie war genau in diesem Augenblick erwacht.
Sie richtete sich auf und starrte nach oben auf die verfaulende Decke des Verlieses, durch die ein Glockengeläut drang, das sie lieber nie gehört hätte.
»Vater?«, stieß sie entsetzt hervor.
Verzweifelt sah sie sich an dem düsteren Ort, an dem sie sich befand, um. Sie begegnete dem verblüfften Blick eines Mannes, den sie nicht sofort als den Herzog von Alekant erkannte, und einer jungen Frau, die trotz allem, was dagegen sprach, nur ihre Schwester sein konnte.
»Eline? Was geht hier vor?«, fragte sie den Tränen nahe.
Sie benötigte keine Antwort. Der eisige Blick des Herzogs von Alekant ließ sie spüren, dass nichts Gutes vorging. Die Geschehnisse wuchsen ihr über den Kopf, und mit wachsendem Entsetzen beobachtete sie, wie Korta auf sie zukam. Aber er hatte nicht die Zeit, viele Schritte zu machen: Eline, die ruckartig in die Wirklichkeit zurückgekehrt war, hatte den kleinen eisernen Krug gepackt und ihm einen heftigen Schlag auf den Kopf versetzt.
Die junge Frau war wie betäubt von ihrer eigenen Tat. Aber Elisas noch kindliche, graublaue Augen ließen sie erkennen, woher sie die Kraft dazu genommen hatte.
Die arme Prinzessin, die gerade erst erwacht war, wagte nichts zu sagen oder zu tun. Sie hatte die Augen in einem Universum aufgeschlagen, das sie weder kannte noch verstand. Ein Albtraum, dessen Atmosphäre überdeutlich vom Tode ihres Vaters sprach und in dem ihre Schwester und sie in einem widerlichen Kerker gefangen saßen, während einer der besten Freunde der Familie ihnen Böses antun wollte. Sie erkannte nur Elines Zärtlichkeit wieder, als ihre Schwester sie in die Arme nahm, ebenso wie ihre Stimme, die unter Freudentränen ihren Namen murmelte:
»Oh! Elisa, ich dachte, du würdest nie wieder wach werden!«
Elisa ließ sich umarmen, ohne irgendetwas zu verstehen. Wie hätte ihr Verstand auch erfassen können, dass das, was sie für eine Nacht hielt, ihr sechs Jahre ihres Lebens geraubt hatte?
Eline gewann rasch ihre Kaltblütigkeit zurück und sah den Körper des Herzogs an, der am Boden lag.
»Rasch, wir müssen fliehen! Kannst du gehen?«
Elisa hatte sich diese Frage nicht gestellt; ihr gingen andere durch den Kopf. Aber es drängten sich so viele in ihrem Verstand, dass ihr keine einzige aus dem Mund drang. Und warum sollte sie nicht gehen können?
Sie ließ die Beine durch die Seide des Hausmantels gleiten, den sie trug, und setzte die Füße auf den Boden. Die Kälte und die Schmutzschicht der Bodenplatten hielten sie auf: Sie konnte doch nicht ihre Füße daraufstellen! Doch sie musste sich überwinden: Der Blick ihrer Schwester zwang sie dazu. Sie versuchte aufzustehen, während sie vor Kälte und Abscheu zitterte. Dabei spürte sie große Schwäche in ihren Muskeln. Fast wären ihre Beine unter ihr eingeknickt. Aber Eline legte einen Arm um sie und stützte sie. Sie hob die Ledermappe auf, die sie unter der Matte versteckt hatte, auf der Elisa bis jetzt gelegen hatte, und half ihr, einige Schritte zu gehen.
Elisas Körper, der jahrelang mit seltsamen Mitteln am Leben erhalten worden war, erwachte unter Schmerzen aus seinem Schlaf. Die junge Prinzessin verstand nicht, woher diese Qualen rührten, und begriff ohnehin nicht, was ihr widerfuhr. Sie ließ sich mitziehen und wankte beinahe bei jedem Schritt durch die düsteren Gänge, die von rußenden Fackeln kaum erhellt wurden. Alles tat ihr weh, ihr war kalt, sie hatte Angst. Aber Eline, die nun jemanden gefunden hatte, der noch schwächer als sie war, sprach ihr ohne Unterlass Mut zu, damit sie schneller ging. Sie ließ ihr keine Zeit nachzudenken.
Nachdem sie zunächst die Richtung eingeschlagen hatte, aus der sie Thalan hatte kommen sehen, orientierte sich Prinzessin Eline jetzt an den schwarzen Markierungen, die die Fackeln des Jungen in den Gewölben hinterlassen hatten. Sie wusste den Einfallsreichtum des Pagen zu schätzen, ohne den sie nie aus diesem Labyrinth hinausgefunden
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