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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Anblick zu gewähren, den er sich offensichtlich wünschte. Und wenn er sich nicht mit dem Anblick zufrieden gab?
    Er war ein rauer Krieger, überlegte sie, hatte jahrelang mit Räuberbanden gelebt, aber sollte er sie auf den Steinboden werfen, würde sie nicht zögern sich ihm hinzugeben. Was sie Ypsilanti meist widerwillig und immer nur mit Hintergedanken gewährt hatte, würde sie mit Freuden für den Held der Helden tun.
    Sie zog sich langsam aus.
    Kolokotronis, der das Rascheln ihres Gewands hörte, drehte sich um und hob die Hand, um sie aufzuhalten, aber sie schüttelte lächelnd den Kopf.
    »General«, sagte sie, »es ist mir eine Ehre.«
    Als sie nackt vor ihm stand, sah er sie lange und intensiv an. Sie stand still wie eine Statue. Die leichte Brise, die durchs Gitterfenster wehte, ließ ihre Brustwarzen hart werden. Kolokotronis stützte seinen Kopf auf beide Hände und seufzte tief.
    »Was war Prinz Ypsilanti doch für ein Narr«, flüsterte er schließlich.
    »Er war kein Narr«, hörte sich Mando sagen, »ich habe ihn schlecht behandelt.«
    Der alte Mann von der Morea nickte. »So etwas hatte ich mir schon gedacht. Wissen Sie eigentlich, dass er mit Ihrem Namen auf den Lippen gestorben ist? Er muss Sie trotz allem sehr geliebt haben.«
    Mando wurde es plötzlich kalt. Kolokotronis sah sie zittern und forderte sie auf sich wieder anzuziehen. Er hatte sich ihr keinen Schritt genähert und nicht versucht sie zu berühren. Er hatte sie nur angesehen.
    »Danke«, flüsterte er fast unhörbar, »Sie haben mir das schönste Geschenk gemacht, das ich je erhalten habe.«
    Ehrfurchtsvoll streiften seine Lippen ihre Hand, als sie sich von ihm verabschiedete.
    Das Erlebnis hatte Mando erheblich mehr erschüttert, als sie zunächst vor sich selbst zugeben wollte. Was habe ich schon getan, dachte sie, ihm gezeigt, was er in jeder Hafenkneipe hätte sehen können. Gut, Hafenkneipen waren ihm zurzeit verwehrt, aber er muss doch viele Frauen in seinem Leben gehabt haben! Vielleicht nicht, überlegte sie, vielleicht war er so in seiner Mission aufgegangen, dass er sich diese Freuden versagt hatte. Vielleicht tat es ihm in seiner Gefängniszelle jetzt leid, dass er sie verpasst hatte und fragte sich – so wie sie selber einst – ob Griechenland das wert gewesen sei.
    Sie reiste nach Athen und war dabei, als König Otto am 1. Dezember 1834 seinen öffentlichen Einzug hielt. Unter den Salutschüssen von einundzwanzig Kanonen ging er in Piräus von Bord eines griechischen Kriegsschiffes und zog umjubelt von Menschenmassen zur Stadt. Den Torbogen nahe dem Thesion hatte man mit Lorbeer- und Olivenzweigen behängt und auf der Erhebung in der Nähe hatten sich 5.000 Athener versammelt, um den griechischen Monarchen aus Bayern zu feiern.
    Mando bemühte sich um eine Audienz bei dem jungen König, der vorerst noch in einer bescheidenen zwölfzimmrigen Residenz wohnte. Aber sie wurde rüde abgewiesen. Sie begegnete einem alten Offizier, den sie bei der Schlacht von Euböa kennen gelernt hatte, und der mit seiner Familie in Athen wohnte. Sie war dankbar, dass sie dort nächtigen konnte und hocherfreut, als sie eingeladen wurde an einem Bankett zu Ehren des Architekten Karl Friedrich von Schinkel teilzunehmen.
    Allerdings war sie ziemlich entsetzt, als bei diesem Abendessen über Schinkels Architekturskizze für einen Königspalast diskutiert wurde. Der deutsche Architekt hatte sich vorgestellt, diesen Palast auf der Akropolis zu errichten und dabei die antiken Gebäudeteile einzubeziehen.
    Wer würde denn dem alten Hellas noch seine Referenz bezeugen können, wenn der König mit seinem Hofstaat die Akropolis besetzte? Aber ihr Tischnachbar, ein französischer Archäologe, flüsterte ihr zu, dass der bescheidenere Entwurf von Friedrich von Gärtner bessere Chancen hätte.
    »Es fehlt überall an Geld«, meinte er.
    Das konnte Mando nachempfinden.
    Der Franzose sah sie so intensiv an, dass es Mando unbehaglich wurde. Entweder habe ich etwas zwischen den Zähnen oder er will mich verführen, dachte sie.
    »Entschuldigung, Madame«, sagte er, »aber ich habe Sie schon einmal vorher gesehen.«
    »Das glaube ich kaum«, erwiderte sie, »ich war noch nie in Paris.« Und werde wohl leider auch nie dahin kommen, setzte sie für sich selber hinzu.
    »Nicht in Paris. Im Hause von Jannis Kolettis.«
    »Mit dem Herrn verkehre ich nicht.«
    Der Franzose hatte ihr gerade mitgeteilt, dass er sich zum ersten Mal in Griechenland befand. Also

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