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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Zimmer für den Gast herrichten sollte.
    Mando konnte es sich nicht leisten, dieses Angebot auszuschlagen. Sie fragte aber, ob es nicht möglich wäre, jene Dachstube zu bewohnen, die sie sich vor einigen Jahren mit Vassiliki geteilt hätte. Poppy war entsetzt.
    »Das war in Zeiten der Not!«, rief sie und Mando dachte an die starken Arme, die sie in jenen Zeiten festgehalten hatten. Auf die Frage nach Vassiliki antwortete Mando, dass die Dienerin eines Tages plötzlich tot umgefallen sei.
    »Ein schöner Tod«, bemerkte Poppy, »den hat sie auch verdient, so eine gute und mutige Frau! Weißt du noch, wie sie uns das Leben gerettet hat?«
    Schaudernd drückte sie sich an Vlachos, der grimmig nickte.
    »Wer hätte gedacht, dass dieser Räuberhauptmann Ali Paschas Sohn Selim gewesen war!«
    »War er das?«, fragte Mando, bemüht erstaunt. Sie hatte mit Vassiliki Nauplia am Tag nach Selims Überfall verlassen.
    »Das hat sich herausgestellt, als die Leiche entdeckt wurde«, erklärte Vlachos. »Keiner weiß, was er in Nauplia gesucht hat. Wahrscheinlich einfach nur Beute, wie sein Vater war er eben ein Raubritter. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
    »Und wie hat man sich seinen Tod erklärt?«, erkundigte sich Mando.
    »Damit, dass er den Falschen ausrauben wollte«, antwortete Poppy.
    »Wie hat man in Jannina reagiert?«, wollte Mando wissen.
    »Erleichtert«, erwiderte Vlachos, »es scheint, er hat sich nur Feinde gemacht, selbst unter seinen eigenen Brüdern.«
    »War er verheiratet?«
    »Er hatte viele Frauen, und die hatten es nicht leicht mit ihm. Alle haben sie nur Töchter gekriegt, und das hat er ihnen übel genommen.«
    Vassilikis Enkelinnen, dachte Mando, vielleicht fahre ich mal nach Jannina und blicke in eine ganze Reihe kleiner schwarzer Vogelaugen.
    Kolokotronis sah unverändert aus. Nur sein weißes Haar war noch länger geworden und fiel ihm jetzt in schütteren Wellen über die Brust. Die wahrscheinlich kahle Stelle auf dem Kopf war durch ein schwarzes Käppchen bedeckt. Der dichte, immer noch dunkle Schnurrbart verbarg die vollen Lippen nicht ganz, und die beeindruckenden Brauen über der kräftigen geraden Nase gaben den schwarzen wachen Augen den vertraut bedrohlichen Ausdruck.
    Mando schämte sich, dass sie, abgesehen von einer Schachtel billigen Gebäcks, mit leeren Händen kam. Er hätte das Schwert meines Vaters verdient, dachte sie, und er hätte es nie einem Franzosen ausgehändigt. Aber ein Schwert hätte man sie wohl kaum ins Gefängnis mitnehmen lassen!
    Sie salutierte, als sie seine Zelle betrat. Er lachte heiser.
    »Nein, Generalleutnant, ich habe vor Ihnen zu salutieren. Ich bin nur ein einfacher Soldat und – wie Sie sehen – zurzeit ein gefangener.«
    »Hoffentlich nicht mehr lange.«
    »Nächstes Jahr bin ich wieder im Dienst. Dann ist König Otto volljährig, kann seine paragraphenreitenden Papiertiger nach Bayern zurückschicken, und ich werde mich endlich wieder nützlich machen können.«
    »Warum haben Sie sich damals eigentlich so für Otto als König eingesetzt?«, fragte Mando neugierig.
    Kolokotronis stand auf und blickte durch das kleine vergitterte Fenster in seiner Zelle auf Nauplia hinab. »Wegen seiner Erziehung«, sagte er schließlich. »Wussten Sie, dass sein Vater einer der größten Philhellenen unserer Zeit ist?«
    Mando lachte. »Sie haben die Philhellenen doch immer als einen Haufen kampfunfähiger Romantiker bezeichnet!«
    »Das waren sie auch. Die meisten wussten ja nicht einmal, wie man ein Schwert in der Hand hält, geschweige denn es einsetzt! Aber ohne die Köpfe dieser Leute hätten uns die Schwerter der Berufssoldaten Europas nicht geholfen. Zum Beispiel gegen Ibrahim Pascha und seinen Adoptivvater Mehmet Ali. Die haben damals für den Sultan den Krieg geführt und jetzt hat sich der Sultan …«
    »… Zar Nikolaus in die Arme geworfen, um Mehmet Ali zu vernichten«, beendete Mando den Satz.
    »Die Zeiten haben sich geändert …«, sinnierte der alte Recke. Er sah Mando beinahe liebevoll an und setzte hinzu: »… und die Koalitionen mit ihnen. Aber manches ist geblieben. Sie, Generalleutnant, sind immer noch so schön wie früher.«
    Das tat ihr gut. Spontan beugte sie sich vor und küsste Kolokotronis auf die Wange. Mit der Hand berührte er die Stelle und lächelte verlegen.
    »Sie wollten mir von Otto erzählen!«, erinnerte ihn Mando.
    »Von seinem Vater König Ludwig von Bayern. Wussten Sie, dass die bayrische Fahne auch blauweiß

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