Die Rebellin
zurückgekommen war. Nikolaos hatte es als Schande empfunden, dass sich sein Erstgeborener wegen einer dummen Liebesangelegenheit das Leben genommen hatte.
Auch nachdem die Familie 1802 auf die Kykladeninsel Paros übergesiedelt war, traf man Nikolaos Mavrojenous selten zu Hause an. Er musste nicht nur seine ausgedehnten Ländereien auf Paros betreuen, sondern auch den Pächtern der Familiengrundstücke auf Naxos, Tinos, Andros und Mykonos auf die Finger sehen. Später nahm er Mando auf manche dieser Ausflüge mit. Unterwegs erzählte er ihr Geschichten aus dem klassischen Altertum und weihte sie in Familiengeheimnisse ein.
Ein einziges Mal kam es zwischen ihnen zum Streit. Der Sultan forderte ihn vor ungefähr einem Jahr auf nach Konstantinopel zu kommen, aber Nikolaos Mavrojenous lehnte die Einladung mit dem Hinweis auf eine Erkrankung ab. Mando, die so gern die Stadt am Bosporus kennen gelernt hätte, flehte ihren Vater an sich eines anderen zu besinnen.
»Von den Türken kommt alles Unglück. Ich habe geschworen, mit ihnen nichts mehr zu tun zu haben«, wies er sie ab.
»Von den Türken kommt auch unser Reichtum«, antwortete sie spitz.
»Du weißt ja nicht, was du sagst!«, fuhr der Vater sie an. »Sie haben unser Land besetzt, uns unsere Kultur geraubt und Hellas ins tiefe Mittelalter zurückgeworfen. Sie benutzen uns, beuten uns aus und lassen uns fallen, wenn es ihnen passt.«
»Sie lassen uns doch tun, was wir wollen, wir haben ja nicht einmal einen Pascha auf Paros. Was interessieren uns hier die Türken?«, gab sie zurück.
Ihr Vater hob den Arm und einen Augenblick dachte Mando, er würde sie schlagen. Aber er hieb nur mit der Faust auf den Tisch und schrie: »Du bist eine Mavrojenous! Vergiss das nie! Und vergiss nie, was sie dem Mann angetan haben, der diesen Namen trug und dem wir alles zu verdanken haben!«
Mando wusste natürlich, wen er meinte, den anderen Nikolaos Mavrojenous, den Bruder ihres Großvaters, der ihren verwaisten Vater und seine fünfzehn Brüder vor Jahrzehnten nach Moldavien hatte kommen lassen, wo er ihnen einflussreiche Posten verschaffte. Der Großonkel war zunächst Dolmetscher der osmanischen Flotte gewesen und wurde 1786 Gouverneur des Fürstentums Moldau, ein Posten, der normalerweise einem Phanarioten zustand, wie die gebildeten griechischen Aristokraten aus Konstantinopel genannt wurden. Beim zweiten russisch-türkischen Krieg übergab der Sultan ihm das Oberkommando über alle Verteidigungskräfte. Als seine Armee aber besiegt wurde und Bukarest im Jahr 1788 fiel, machte der Sultan Mavrojenous für die Niederlage verantwortlich und ließ ihn köpfen.
»Wenn er den Türken schon die Kriege führte, hätte er sich nicht besiegen lassen dürfen«, war Mandos Antwort. Daraufhin sprach ihr Vater zwei Tage lang nicht mit ihr.
Zwei Tage, die ich verloren habe, dachte Mando jetzt, als sie an Bord von Jakinthos' Schiff ging. Er forderte sie auf, sich in den Schiffsbauch zu begeben, aber sie lehnte ab, freute sich auf den Sturm, hoffte, er würde das Schiff ordentlich durchschütteln und vielleicht etwas in ihr gerade rücken. Angst hatte sie nicht. Jakinthos wies ihr einen Platz zu, wo sie seiner Mannschaft nicht im Weg sein würde, und forderte sie auf, sich mit einem dicken Tau festzubinden. Der Kapitän brüllte Anweisungen, die im Knattern der Segel beinah untergingen, die Ankerketten rasselten und dann nahm die ›Tria Asteria‹ Kurs auf Tinos. Der Südwind, der zunächst nur kleine Wellen weckte, trieb sie schnell voran. Erst, als sie zur Rechten die Inseln Delos und Mykonos auftauchen sahen und sich die Berge von Tinos bereits deutlich vom Himmel abhoben, wurde das Meer wilder und zeigte Schaumkronen.
»Da ist Irinis Haus!«, rief Mando und machte Jakinthos auf ein stattliches Herrenhaus nahe dem Ufer aufmerksam.
Besorgt warf er einen Blick zum Himmel. »Bleiben Sie hier, wir dürfen keine Zeit verlieren, ich gehe selber hin«, brüllte Jakinthos ihr ins Ohr und befahl das Beiboot zu Wasser zu lassen.
Wenig später sah Mando fünf Personen in das Boot steigen, Jakinthos, ihre Schwester Irini, deren Mann Antonis Nasos, einen Priester und einen ihr unbekannten jungen Mann mit langem schwarzen, ungewöhnlich glattem Haar, das im Wind wild flatterte. An Bord fiel Irini ihr weinend um den Hals.
»Was ist geschehen? Warum ist er tot?«
»Mama sagt, sie haben ihn vergiftet.«
»Sie?«, fragte Irini schluchzend. »Wer ist ›sie‹?«
Das hatte sich Mando auch
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