Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
schien er die verletzte Stelle ebenfalls berühren zu wollen, aber dann ließ er die Hand sinken. »Bist du okay?«, fragte er.
Ich nickte und versicherte ihm, dass alles bestens sei.
Das schien ihn nicht zu überzeugen, denn er betrachtete mich weiter mit einem Stirnrunzeln. Wahrscheinlich sah ich fürchterlich aus, aber das war mir im Augenblick egal. »Hast du nicht schlafen können?«, fragte er.
Der Klang seiner Stimme und der besorgte Blick in seinen Augen reichte, damit ich wieder zu mir selbst fand … zu der Maddie, die ich eigentlich sein wollte. Die Leere in meinem Inneren hatte sich nicht nur verflüchtigt, sondern einem ganz anderen Gefühl Platz gemacht.
»Schlafen?«, wiederholte ich und legte theatralisch einen Fingeran die Lippen, um diesen bizarren Vorschlag gebührend zu würdigen. »Hm, lass mich überlegen. In den letzten sechzehn Stunden habe ich mir eine Jugendstrafe eingehandelt, bin von meiner Familie verstoßen worden … Selbst mein Hund will nichts mehr von mir wissen«, fügte ich absichtlich dramatisch hinzu. »Ich wurde zweimal gefangen genommen und an einem Ort in Geiselhaft gehalten, den man nur als die Hölle bezeichnen kann. Besonders schlaffördernd war tatsächlich nichts davon.«
Justin schaute mich belustigt an, während mein Fluchthelfer ein paar Taschen aus dem Kofferraum hob. »Die meisten Leute würden in dieser Situation nicht mit Sarkasmus reagieren«, stellte er fest.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich bin ich bloß übermüdet.«
»Auf jeden Fall dürftest du hungrig sein«, sagte Justin, nahm eine der Taschen und warf sie sich über die Schulter. Mit einem Grinsen wandte er sich wieder mir zu. »Was hältst du von selbst gemachten Pfannkuchen?«
Ich folgte ihm nach drinnen und erwartete einen weiteren fensterlosen Keller mit Feldbett. Stattdessen empfing mich als Erstes ein waschechter Holzfußboden. Fasziniert starrte ich ihn an. So etwas hatte ich noch nie gesehen, da heutzutage überall feuersicherer Kunststoff verlegt wird. Ich hockte mich hin und rieb mit den Fingern über die Kratzer und Kerben. Woher die Gebrauchsspuren wohl stammten? Sie gaben dem Holz Charakter und eine Geschichte, erinnerten an all die Menschen, die hier schon entlanggegangen waren. Als ich einen Schritt machte, knirschten die Bohlen unter meinen Füßen. Überrascht ging ich ein paarmal an derselben Stelle hin und her. Dann blickte ich hoch und stellte fest, dass Justin und der Junge mich anschauten, als hätte ich den Verstand verloren.
Mein Fluchthelfer schüttelte den Kopf und verschwand den Flur entlang.
»Du bist wirklich übermüdet«, stellte Justin fest und schob mich vor sich her.
Das Wohnzimmer war voller Hängekübel mit echten Pflanzen, die einen erdigen Geruch verbreiteten. Zwei rote Polstersessel standen rechts und links von einem antiken Kamin. Das Gebäude musste mindestens hundert Jahre alt sein. Offene Feuerstellen gab es inzwischen nicht mehr, sie waren wie bei uns zu Hause durch Digitalbilder ersetzt worden, in denen künstliche Flammen züngelten.
Ich hörte Stimmen und ging durch den Flur weiter, bis ich die Küche erreicht hatte. Dort fragte Justin gerade: »Okay, Eric, gab es irgendwelche Probleme, als du sie abgefangen hast?«
»Nö«, meinte Eric. Als er mich sah, fügte er hinzu: »Außer dass sie zuerst wie ein kopfloses Huhn durch die Gegend gerannt ist. Dann hat sie gebissen und getreten und dabei meine empfindlichsten Teile erwischt.« Er hielt seinen Finger hoch, an dem noch immer ein blutroter Abdruck meiner Zähne zu sehen war.
Justin lachte und ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Tut mir leid, aber ich bin es nicht gewöhnt, dass sich jemand auf mich stürzt und in ein Auto wirft.«
»Ich habe nichts anderes von dir erwartet«, beschwichtigte Justin und holte ein paar Teller aus dem Küchenschrank. »Mich würde allerdings interessieren, wie du die Cops dazu gebracht hast, anzuhalten. Und sag nicht, sie sind auf den uralten ›Ich muss mal aufs Klo‹-Trick reingefallen.«
Ich setzte eine gekränkte Miene auf. »Da kann ich mir schon etwas Besseres einfallen lassen.«
»Eben.«
Ich zog einen Küchenstuhl zu mir heran und setzte mich hin. »Nein, ich habe ihnen eingeredet, dass mir vom Fahren schlecht wird.«
Justin und Eric schauten mich beide skeptisch an.
»Das hat funktioniert, weil ich weiß, wo Pauls Schwächen liegen. Unsere Familien sind schon seit Ewigkeiten befreundet. Als wir noch klein waren, haben wir
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