Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
geahnt, was bevorstand. Sein Programm überrollte in Lawinengeschwindigkeit das ganze Land.
Am 28. März vor elf Jahren kam es zum schlimmsten Terroranschlag in der Geschichte der USA. Er richtete sich gegen die denkbar wehrlosesten Opfer, nämlich die Kinder. Siebzehn Grundschulen in allen Teilen des Landes wurden am gleichen Tag und zur gleichen Stunde mit Hilfe von Sprengstoff dem Erdboden gleichgemacht. Unzählige Kinder starben in einer einzigen Stunde. Viele weitere wurden verletzt, und fünfhundert von ihnen starben in den überfüllten Krankenhäusern, wo es nicht genügend Personal gab, um alle Opfer zu versorgen. Der Anschlag ging auf das Konto einer amerikanischen Gruppe von Radikalen, die sich selbst als The Spades bezeichneten. Sie waren berüchtigt für ihre gewaltsamen Proteste gegen unregulierte Fortpflanzung. The Spades kämpften gegen die Überbevölkerung des Planeten und setzten sich für Zwangssterilisation ein. Die Tötung von Kindern war eine noch direktere Methode.
Als ich an jenem 28. März die Schule verließ, wurde mir ein Teil meines Lebens entrissen. Meine Entwicklung wurde gewaltsam unterbrochen. Für alle aus meiner Generation ging damals ein Leben zu Ende. Manche sagen, dass unser Land unter den Folgen leiden wird, bis niemand mehr übrig ist, der Zeuge dieser Katastrophe war … bis eine neue Jugend das Zeitalter der Bombenkinder abgelöst hat. Bis dahin wird die Sonne nie mehr mit voller Kraft scheinen, und jedes Lachen wird dumpf und erstickt klingen, als hätten die Explosionen eine Ascheschicht auf unseren Seelen hinterlassen, die immer an jenen Tag des Mordens erinnern wird. Damals wurde die ganze Welt ein wenig freudloser.
Als Folge der Anschläge wurde die Digital School 1 – 4 zur Pflicht erhoben. Seitdem hat niemand mehr die Wahl. Selbst Lerngruppen, wie ich eine besucht habe, sind erst in den letzten Jahren wieder entstanden. In vielen Bundesstaaten ist Live-Unterricht noch immer strikt verboten. Ein Computerbildschirm ist wie eine kugelsichere Weste: eine undurchlässige Schutzschicht, die im Gegensatz zu unserer Haut nichts herein- oder herauslässt. Die meisten Menschen verstehen gar nicht mehr, wozu man sich persönlich treffen sollte. Dafür ist ihr Misstrauen zu groß. Sie lassen sich auf nichts ein, was sie nicht vollständig kontrollieren können. Sie leben sicher und bequem in ihrer virtuellen Welt, die ihnen hilft, die Trauer zu verdrängen und den Schmerz zu vergessen.
Kapitel 15
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Gerade als ich auf meinem Feldbett einzudösen begann, schob der Junge seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Zeit zu gehen«, stellte er fest.
Wortlos nickte ich und verschwand noch schnell ins Badezimmer. Dort wusch ich das angetrocknete Blut von meiner Stirn, doch eine sichtbare Prellung blieb trotzdem zurück. Meine Haut sah genauso angeschlagen aus, wie ich mich fühlte. Ich war zu erschöpft, um mir darum viele Gedanken zu machen.
So schweigend, wie wir gekommen waren, gingen wir auch wieder. Ich folgte dem Jungen nach draußen und wartete, während er den Wagen aus der Garage fuhr und die Alarmanlage neben der Tür wieder einschaltete. Der erwachende Morgen warf ein zartes rosa Licht auf die Dächer der schlafenden Häuser. In der Nachbarschaft war alles still. Selbst die Bäume gaben kein Geräusch von sich. Ich atmete tief ein. Hier roch es genau wie in meiner eigenen Straße. Der Plastikrasen und die Bäume verströmten einen kaum merklichen Kunststoffgeruch.
Ich stieg in den Wagen, und kaum waren wir gestartet, begann der Junge wieder in sein Headset zu sprechen. Ich war mit meinen Gedanken allein. Zwar brannten mir die Augen vom Schlafmangel, doch gleichzeitig war ich zu aufgekratzt, um müde zu sein. Durch das Fenster schaute ich zu, wie der Himmel sich von rosarot zu einem bleiernen Grau verfärbte, während wir zwischen hohen Lärmschutzwänden einen endlosen Highway entlangfuhren.Nur ab und zu konnte man durch Lücken in den Betonmauern weiter hinausblicken. Die meisten Schnellstraßen wurden inzwischen auf beiden Seiten mit solchen Wänden abgeschottet, damit die Wohngebiete direkt daran angrenzen konnten. Bauland war wertvoll geworden. Um Platz zu sparen, schwangen sich neue Schnellstraßen oft wie riesige Brücken über die Dächer hinweg. Gut möglich, dass wir gerade jetzt hoch über Bürogebäuden schwebten. Ich sah Schilder mit Städtenamen vorbeihuschen, von denen ich keinen einzigen kannte.
Die dunkel getönten Scheiben schienen meine Gedanken
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