Die Rebellion
gedauert.«
»Verdammt richtig«, bestätigte der Lange John, ohne sich
umzublicken. »Die ersten Arbeiten fanden vor so langer Zeit
statt, daß sich niemand mehr auch nur an die Namen derer erinnert, die sie ausführten. Wir bauen seit Jahrhunderten an unseren Tunnels. Jede Generation fügt hinzu, was gerade benötigt
wird. Wir müssen unter der Erde leben. Uns bleibt keine andere
Wahl. In den alten Tagen gab es militärische Satelliten mit
Ortungssystemen und schweren Waffen. Heute ist es das Wetter. Außerdem besitzt die Fabrik einen eigenen Schutzschild.
Wir wußten stets, daß der einzige Weg am Schild vorbei unter
ihm hindurch führte. Die Wolfs wissen es auch. Deswegen
lassen sie ihre eigenen Leute ebenfalls Tunnels anlegen.«
»Aber Ihr seid hier unten in Sicherheit, oder nicht?« fragte
Sturm.
»Es gibt Sicherheit, und es gibt Sicherheit«, antwortete die
Halsabschneider-Marie. »Die eingeborenen Lebensformen von Technos III leben ebenso unter der Erde wie wir. Sie leben
ganz tief unten, wo wir kaum jemals hingehen, aber von Zeit
zu Zeit kommen sie nach oben, und dann streiten wir darum,
wessen Territorium diese Tunnel sind. Wir jagen sie als Nahrung, sie jagen uns als Nahrung. Wir gewinnen häufiger als sie.
Es hilft uns, die Schwachen auszusieben. Seht Ihr diese verblaßten Flecken auf dem Boden? Wenn wir eine der Kreaturen
erlegen, dann verspritzen wir ihr Blut, um unser Territorium zu
markieren. Es hält die anderen Bestien von uns fern, jedenfalls
für eine Weile.«
»Ihr meint, sie kommen so weit nach oben?« erkundigte sich
Ruby.
»Aber selbstverständlich«, erwiderte der Lange John. »Im
Frühling können wir uns manchmal kaum bewegen, ohne mit
Klauen, Fängen und anderen häßlichen Körperteilen in Berührung zu kommen.«
»Gut«, sagte Ruby. »Ich kann ein wenig Übung gebrauchen.«
»Nun, das erklärt die Blutflecken überall«, sagte Sturm rasch.
»Aber was ist mit dem Bein?«
Der Lange John und die Halsabschneider-Marie blieben unvermittelt stehen und blickten zu ihm zurück. »Was für ein
Bein?« fragte der Lange John.
Sturm deutet schweigend darauf, und alle blickten nach oben
zu dem menschlichen Bein, vollständig bekleidet mit Hose und
Stiefeln, das an der rechten Seite aus der Ecke zwischen Wand
und Decke herausragte. Der Lange John verzog das Gesicht.
»Mason Elliot! Das ist dein Bezirk! Wo steckst du?«
Ein kleiner, gedrungener Mann, der bis zum Kinn in dicken
Fellen steckte, trat aus einem Seitentunnel hervor. In einem
Mundwinkel steckte ein häßlicher schwarzer Zigarrenstummel.
»Warum schreist du so? Ich bin nicht taub! Also schön, gnädiger Anführer, da bin ich. Was ist denn diesmal nicht in Ordnung? Hast du wieder einmal die Schlüssel verloren?«
»Was hat das Bein dort oben zu suchen?«
»Es hält die Decke zusammen. Nach dem letzten Angriff der
Blutwürmer mußten wir einen Teil der Wände reparieren, und
wir hatten es verdammt eilig. Uns fehlte Baumaterial, und der
Leichnam kam gelegen … Außerdem mochte ihn sowieso niemand leiden. In ein paar Wochen brechen die Blutwürmer sowieso wieder durch. Wir können die Leiche dann immer noch
entfernen.«
»Bis zu diesem Zeitpunkt wird sie zum Himmel stinken!«
sagte der Lange John. »Ich will, daß das Bein entfernt wird,
und zwar jetzt. Besorg dir eine Axt und hack es ab! Bewegung!«
»Sicher, gnädiger Anführer von uns allen.« Der stämmige
Mann drückte die Zigarre mit den bloßen Fingern aus und
klemmte sie hinters Ohr. Er stand noch immer da und starrte zu
dem Bein hinauf, als der Lange John und die HalsabschneiderMarie die drei Neuankömmlinge weiterführten. Jakob Ohnesorg bildete den Schluß, und er war wahrscheinlich der einzige,
der den stämmigen Elliott, murmeln hörte: »Und was nehme
ich in Zukunft als Wegweiser?«
Der Lange John führte sie immer weiter durch die Tunnel. In
Jakob Ohnesorg keimte allmählich der Verdacht, daß man sie
auf Umwegen führte, damit sie später niemandem den Weg
nach unten beschreiben konnten. Es gefiel ihm. Es verriet ein
gutes Gespür für prinzipielle Sicherheitsmaßnahmen und eine
gesunde Dosis Paranoia. Unglücklicherweise konnte Jakob sich
nicht verirren, genausowenig wie Ruby Reise. Er war durch
das Labyrinth des Wahnsinns gegangen. Jakob wußte stets genau, wo er sich befand. Allerdings hatte er nicht die Absicht,
dem Langen John dieses Geheimnis zu verraten. Es würde ihn
nur ärgerlich machen. Also stapfte Jakob wohlgelaunt hinter
dem Mann her
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