Die Rebellion
von
diesem Heldenkram auf mich abfärbt, wenn ich lange genug
bei dir bleibe.«
»Ruby, warum machst du dich immer kleiner, als du bist?«
Sie zuckte die Schultern. »Es ist eine dreckige Arbeit, aber
irgend jemand muß sie machen. Stell mir keine Fragen, Jakob.
Ich weiß keine Antworten. Ich bin hier, weil ich hier sein will.
Gib dich damit zufrieden.«
»Ich bin nicht der einzige, der sich verändert. Dir geht es genauso, Ruby. Ob es dir nun gefällt oder nicht, du wirst eine
Heldin und Teil der Legende wie ich.«
»Verdammt noch mal, ich hoffe nicht. Nach meiner Erfahrung sterben Helden einen ehrenvollen, aber tragischen und vor
allem viel zu frühen Tod. Ich schätze, ich lasse diesen Teil der
Legende lieber aus. Ich wäre lieber der vertrauenswürdige
Kumpan, der die guten Ratschläge erteilt und schlagfertige
Antworten zu geben weiß und, nachdem sich der Staub gelegt
hat, durch seine von einem Ghostwriter verfaßten und mit Hilfe
einer gut gemachten Werbekampagne publik gemachten Memoiren ein Vermögen verdient. Ich spüre jedenfalls keine Veränderungen an mir außer denjenigen, die das Labyrinth des
Wahnsinns an mir vollzogen hat. Du bist nicht der einzige, Jakob, der sich jünger fühlt. Bei mir fällt es nicht so auf, aber ich
schätze, ich bin gut fünf Jahre jünger geworden. Ich bin schneller, stärker und geistesgegenwärtiger. Wenn ich kämpfe, habe
ich das Gefühl, als würden die anderen sich in Zeitlupe bewegen. Außerdem erhole ich mich schneller als früher. Einem
Kämpfer fallen solche Dinge auf. Aber Jakob, ich mache mir
auch meine Gedanken wegen dieser Verjüngung. Ich meine,
wo soll es enden? Werden wir wieder zu Kindern? Oder zu
Säuglingen? Was?«
»Was auch immer das Labyrinth des Wahnsinns mit uns angestellt hat, es dauert noch an«, entgegnete Jakob Ohnesorg
nachdenklich. »Auch wenn das Labyrinth nicht mehr länger
existiert. Wir müssen davon ausgehen, daß ein Zweck hinter
alledem steckt. Ich schätze, der Prozeß soll uns verfeinern und
die besten und stärksten Seiten von uns hervorbringen, zu denen wir imstande sind. Die Veränderungen finden nicht allein
auf physischer Ebene statt, vergiß das nicht.«
»Ja, ich weiß. Ich stehe irgendwie mit dir in Verbindung, und
auch mit den anderen. Ich weiß immer genau, wo ihr seid,
selbst wenn ihr euch nicht in der Nähe aufhaltet. Manchmal
weiß ich sogar, was ihr gerade denkt. Oder fühlt. Du schmutziger alter Kerl! Und manchmal, während eines Kampfes, weiß
ich schon vorher, aus welcher Richtung der nächste Angriff
kommt, wohin ein Schwertstreich geht oder was hinter mir
passiert. Sehr eigenartig. Ich war immer eine gute Kämpferin,
aber das Labyrinth macht mich zu weit mehr als das.«
»Mit einfachen Worten«, sagte Ohnesorg, »wir werden zu
Übermenschen.«
»Oder nichtmenschlich«, erwiderte Ruby. »Das Labyrinth
des Wahnsinns war schließlich auch ein nichtmenschliches
Gebilde, oder? Vielleicht war es so programmiert, daß es jeden
und alles, was hindurchging, zu einer Kopie der Rasse verwandelte, die es konstruierte. Am Ende wachsen uns sechs Arme
und Antennen aus den Ohren.«
»Und du hast den Nerv zu behaupten, ich wäre ein morbider
Kerl! Wir wollen uns über diese Dinge Gedanken machen,
wenn sie geschehen, ja? Im Augenblick haben wir weiß Gott
andere Sorgen.«
»Zum Beispiel?«
»Versteh mich nicht falsch, Ruby, aber … Mir ist aufgefallen, daß du niemals Gefangene machst. Selbst früher, bevor wir
hergekommen sind, hast du niemals nur gekämpft, um deine
Gegner zu verwunden und aufzuhalten. Du tötest sie immer.«
»So ist es am besten«, erwiderte Ruby brüsk. »Ein toter
Mann kann sich nicht plötzlich wieder aufrichten und dir ein
Messer zwischen die Rippen stoßen.«
»Ein toter Mann kann sich aber auch nicht unserer Sache anschließen. Und er kann nicht die Irrtümer erkennen, denen er
aufgesessen ist. Was, wenn wir dich damals in Nebelhafen getötet hätten, als du uns angegriffen hast? Nein; falls und wenn
wir die Löwenstein stürzen wollen, dann müssen wir ihr System durch eines ersetzen, das effizient regieren kann, andernfalls herrscht das Chaos. Und das bedeutet wiederum, daß wir
auf die gleichen Leute zurückgreifen müssen, auf die sich bereits Löwenstein verlassen hat, damit die Räder nicht stehenbleiben. Wir können nicht einfach jeden auf der anderen Seite
umbringen. Wir werden einige von ihnen brauchen.«
Ruby zuckte die Schultern. »Von diesen Dingen
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