Die Rebellion
und sich in sanft gewellten Locken
über seine Schultern gelegt. Jetzt hing es schlaff und leblos
herab, und es war ihm egal. Um die Stirn hatte Finlay ein einfaches Lederband geschlungen, um das Haar aus dem Gesicht
zu halten, das war auch schon alles. Er wußte, daß er die Haare
besser abgeschnitten hätte. Es wäre einfach praktischer gewesen. Aber Finlay konnte sich nicht zu diesem Schritt durchringen. Die Haare waren seine letzte Verbindung zu dem berüchtigten Stutzer von einst.
Früher waren Finlays Kleider modisch bis zum Exzeß gewesen. Heute steckte er in einem zu großen Thermoanzug mit
einem Chamäleonschaltkreis, der stets die Farben der Umgebung annahm. Finlay grinste. Das Gesicht in der reflektierenden Fläche grinste zurück, doch Finlay erkannte es noch immer
nicht. Dieser Mann dort sah hart aus – und verdammt gefährlich obendrein. Seine Augen blickten kalt und vorsichtig, und
in seinem Grinsen lag ein trauriger Humor. Finlay hätte ein
ehemaliger Soldat oder Söldner sein können, ein bezahlter
Schläger, der für den richtigen Preis jeden Auftrag annahm. Er
sah aus wie die gefährlichste aller Sorten von Männern: die, die
nichts mehr zu verlieren hatte.
Nein, dachte Finlay entschieden und wandte den Blick ab. Er
besaß noch immer seine Liebe zu Evangeline und die Sache,
für die er jetzt kämpfte. Als Adliger hatte er nie einen Gedanken an die Massen unter ihm verschwendet, ganz zu schweigen
an die Nichtpersonen, die Esper und Klone, die Untersten der
Unteren. Dann hatte er das Entsetzen von Silo Neun erlebt,
auch bekannt als Hölle des Wurmwächters, wo abtrünnige
Esper gefangengehalten, gefoltert und schließlich exekutiert
wurden. Was Finlay dort gesehen hatte, hatte sein Leben für
immer verändert. Jetzt kämpfte er um Gerechtigkeit für alle,
und wenn er das nicht erreichen konnte, würde er sich auch mit
Rache zufriedengeben.
Genau aus diesem Grund war Finlay hierher zum SilvestriTurm gekommen. Er zwang sich auf die Beine und setzte seinen Aufstieg fort. Der junge Feldglöck zitterte an allen Gliedern von der Anstrengung, doch irgendwie kam er trotzdem
voran. Seine Verbindungsleute im Untergrund hatten ihm eine
Auswahl an Drogen angeboten, kleine chemische Wunder, die
müde Muskeln wieder munter machten, doch Finlay hatte abgelehnt. Er hatte schon in der Arena niemals künstlichen Mut
gebraucht, und wenn er auch nicht mehr der Mann von einst
war, so war Finlay doch noch immer der Beste, den der Untergrund aufzubieten hatte. Finlay lachte in sich hinein, während
er immer weiter hinaufstieg und sich wie ein flinker Schatten
über vorstehende Wasserspeier und verzerrte Steingrimassen
schwang, während der Chamäleonschaltkreis seine Anzugfarbe
haargenau auf die der Umgebung abstimmte, um ihn vor dem
Hintergrund beinahe unsichtbar zu machen.
Vielleicht würde der Silvestri-Clan nach dieser Sache das äußere Erscheinungsbild seines Turms überdenken. Gotischer
Rokoko war schön und gut und pittoresk, aber ein Feind konnte
sich auch ziemlich leicht anschleichen. An der Fassade eines
Techbauwerks wie zum Beispiel dem Turm der Shrecks wäre
Finlay innerhalb einer Minute entdeckt worden. Aber wie alle
anderen auch, so verließ sich auch der Silvestri-Clan auf teure
Sicherheitssysteme, welche im Grunde genommen vollkommen ausreichten – meistens jedenfalls. Sie waren jedenfalls gut
genug, um jeden gewöhnlichen Dieb, Spion oder Saboteur abzuschrecken. Sie reichten vollkommen aus, um jeden draußen
zu halten – es sei denn, man besaß zufällig die Unterstützung
dieser gerissenen kybernetischen Anarchisten, der Kyberratten,
Gott segne ihre kleinen Hackerherzen. Genau in diesem Augenblick fütterten sie die Systeme des Silvestri-Turms mit einem Haufen beruhigender Lügen, um die Anwesenheit der
lautlosen Gestalt zu verheimlichen, die an der jetzt ungeschützten Fassade hinaufkletterte.
Finlay erreichte das Ende der Leine und stützte sich freundschaftlich auf die furchteinflößende steinerne Statue eines bekannten Vorfahren der Silvestris. Dann zog er die Leine ein
und wickelte sie um seinen Leib. Finlay war fertig, und das
nicht nur mit dem Aufstieg, wenn man den Zustand seiner
schmerzenden Arme und Beine bedachte und den feuchten
Schimmer von kaltem Schweiß auf seiner Stirn. Er verzog das
Gesicht und atmete tief durch. Der junge Feldglöck hatte seine
Muskeln als Gladiator in der Arena gestählt, und trotz der erzwungenen Abwesenheit des
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