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Die Rebellion

Die Rebellion

Titel: Die Rebellion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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einmal, wenn man in Eile war. Normalerweise wäre
Finlay vorsichtiger zu Werke gegangen, doch er lag hinter seinem Zeitplan. Seine eigene Schuld. Er war auf dem Weg zum
Turm in einem annehmbaren Restaurant eingekehrt und hatte
hervorragend gegessen. Kein bekanntes Restaurant, natürlich
nicht. Finlay konnte sich nicht leisten, erkannt zu werden. Aber
seit sein Clan einer feindlichen Übernahme durch die Wolfs
zum Opfer gefallen war, war Finlay ständig auf der Flucht. Die
einzigen Leute, bei denen er Unterschlupf gefunden hatte, waren die Esper und Klone der Untergrundbewegung, feine Männer und Frauen, wenn es um Mut, Ideale und Widerstand gegen
die Autorität ging, aber ziemlich unbedarft, was die angenehmen Seiten des Lebens betraf. Ganz besonders vermißte Finlay
die gute Küche, die einem Mann seiner Position zustand. Er
war zwar kein ausgesprochener Feinschmecker, doch er wußte,
was er mochte. Suppe zum Beispiel, so klar, daß man darin
baden konnte. Oder fast rohes Fleisch. Schlachte das Tier, zerlege es, wedele mit dem Steak kurz in Richtung der Pfanne und
serviere es. Mehr brauchte es gar nicht, um Finlay glücklich zu
machen. Außer vielleicht noch ein paar exotische Gemüse als
Beilage und wegen der Ballaststoffe. Und ein widerlich klebriges, süßes Dessert. Himmlisch. Absolut himmlisch.
    Finlay hatte so lange darauf verzichten müssen … Finlay hatte dem Duft, der aus dem kleinen, abgelegenen Restaurant auf
die Straße gedrungen war, einfach nicht widerstehen können.
Ein schneller Blick auf das Chronometerimplantat am Handgelenk hatte ihm gezeigt, daß er noch ziemlich früh dran war,
also … hatte er einen kleinen Abstecher gemacht. Und die Zeit
bis zum dritten Nachtisch vollkommen vergessen. Der Schreck
war ihm in die Glieder gefahren, als er festgestellt hatte, wieviel Zeit über seiner Schlemmerei vergangen war. Finlay hatte
eine Handvoll Münzen auf den Tisch geworfen und war aus der
Tür gerannt wie ein Mann, der sich des zurückgelassenen
Trinkgeldes schämen mußte. Als er schließlich beim SilvestriTurm angekommen war, hatten seine Lungen geschmerzt, er
hatte an Seitenstechen gelitten, und sein voller Magen hatte
rebelliert. Es war ein Wunder gewesen, daß die Wachen ihn
nicht entdeckt hatten. Finlay hatte sich genau an den Plan
gehalten, war zwischen den Patrouillen hindurchgeschlüpft und
hatte sich an den Aufstieg gemacht wie ein Seemann, der gerade im Heimathafen angekommen ist und seine Frau nicht
schnell genug wiedersehen kann. Er war noch immer ziemlich
spät dran gewesen und deswegen überhastet geklettert. Und
beinahe hätte er das Pflaster tief unten mit seinen Innereien
dekoriert.
    Finlay warf einen weiteren Blick auf seine Uhr. Er hatte gut
aufgeholt. Er zwang sich, ruhig zu atmen, während sein Blick
über die Stadt glitt. Die pastellfarbenen Türme erstreckten sich
in alle Richtungen, ein ganzer Wald aus Glas, Metall und seltenen Steinen, die im Sonnenlicht hübsch funkelten. Finlay warf
einen Blick auf sein Spiegelbild im polierten Stahl hinter seinem Rücken. Er hätte sich keine Sorgen machen müssen, daß
irgend jemand in dem kleinen Restaurant ihn erkennen könnte.
Der Mann im Spiegel besaß keinerlei Ähnlichkeit mehr mit
dem alten Finlay Feldglöck. Früher, in den alten Tagen, hatte
er ausgesehen wie ein schrillbunter Paradiesvogel. Groß gewachsen, anmutig und modisch auf dem neuesten Stand, von
den polierten, engen Lederstiefeln bis zur Samtmütze. Als Finlay das letzte Mal bei Hof gewesen war, hatte er einen langen
Frack getragen, das Gesicht mit fluoreszierenden Farben bemalt, das Haar metallisiert, einen juwelenbesetzten Kneifer auf
der Nase, den er überhaupt nicht benötigte, und jeder hatte sich
vor ihm als einem der großen Meister der Mode verbeugt. Und
jetzt? So weit war es mit ihm gekommen!
    Das Gesicht seines Spiegelbildes hätte jedermann gehören
können. Keinerlei Kosmetik, um kleinere Narben oder sonstige
Defekte zu überdecken oder die Struktur der Wangenknochen
zu betonen. Keine leuchtenden Farben, die unübersehbar Status
und Rang verkündeten oder die Aufmerksamkeit anderer stolzer Pfauen auf sich zog. Finlays Gesicht war in diesen Tagen
hager und verhärmt. Tiefe Linien hatten sich um Augen und
Mund gegraben. Er war eben erst fünfundzwanzig und wirkte
zehn Jahre älter. Sein langes Haar war so hell, daß es beinahe
farblos schien. Am Hof hatte es noch in leuchtend metallischem Bronze geschimmert

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