Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
wiederholten wochenlangen Hungerstreiks in den dreißiger und vierziger Jahren, mit denen er schließlich erfolgreich einen Bürgerkrieg verhindern konnte.
Als endlich die Unabhängigkeit Indiens ausgerufen und am 15 . August 1947 Wirklichkeit wurde, erfolgte zugleich die Teilung zwischen Indien und Pakistan. Erfolglos war auch sein Bemühen um die Aussöhnung zwischen Hindus und Moslems. Am 30 . Januar 1948 wurde Gandhi, der im Gegensatz zu einem Henry Kissinger nie den Friedensnobelpreis erhielt, von einem nationalistischen Hindu erschossen. [146]
Der eigene Körper als Waffe: der Hungerstreik
Beim Hungerstreik geht es fast immer darum, öffentlichkeitswirksam auf politische oder persönliche Missstände hinzuweisen und entsprechende Ziele durchzusetzen. Ihn unterscheidet von anderen Protestformen
nicht
das Riskieren der eigenen Gesundheit. Dies gilt für Demos, Sitzblockaden oder Haus- und Geländebesetzungen auch. Anders als bei diesen Aktionen aber fügt sich der Hungerstreikende den Schaden mehr oder weniger selbst zu – er kann also die Aktion ohne »Feindkontakt« durchführen. Die Logik des Hungerstreiks erinnert an die eines Kindes: »Geschieht meinen Eltern ganz recht, wenn ich mir die Finger verbrenne.« Dieser Erpressermasche des kokelnden Nachwuchses entspricht auch die Logik des Hungerstreiks:
Da die Nahrungsverweigerung spätestens ab der vierten Woche zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden oder gar zum Tod führen kann, stellt der Hungerstreik gegenüber einem fürsorgepflichtigen Staat ein recht großes Druckmittel dar, sofern die Politik den Tod des Protestierenden nicht billigend einkalkuliert. Ebenso kann der Hungerstreikende – wie seinerzeit Gandhi – seine Anhänger oder gar das mit ihm sympathisierende Volk dazu zwingen, zum Beispiel die Feindseligkeiten untereinander einzustellen. Ebenfalls Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang der französische Pazifist Louis Lecon ( 1888 – 1971 ), der im Juni 1961 als Vierundsiebzigjähriger für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung erfolgreich in den Hungerstreik trat. 1963 ließ die Regierung de Gaulle die inhaftierten Kriegsdienstverweigerer frei.
Deutschland dagegen kann mit derartigen Aktionen, geschweige denn erfolgreichen, nicht aufwarten. Wirklich spektakulär waren bezeichnenderweise nur die Hungerstreiks eingesperrter RAF -Terroristen, die damit in den siebziger Jahren menschenwürdige Haftbedingungen erzwingen wollten, was teilweise sogar gelang. Als allerdings Holger Meins bei einem dieser Streiks im November 1974 starb, wurde er prompt für Teile des »linken« Spektrums zum Märtyrer, was zeitweilig die Zahl der – zumeist allerdings passiven – RAF -Sympathisanten vergrößerte.
Auch im Kampf gegen Massenentlassungen oder Werksschließungen setzten Arbeiter hierzulande auf den Hungerstreik, so zum Beispiel in den sechziger Jahren im westdeutschen Steinkohlebergbau oder 1990 gegen die Stilllegung der Kaligruben der ehemaligen DDR . Die Arbeiter hatten zwar keinen Erfolg, konnten aber die Öffentlichkeit aufmerksam machen.
Ständig gibt es irgendwo einen Hungerstreik, wobei die dahinterstehenden menschlichen Schicksale in der öffentlichen Wahrnehmung natürlich entweder gar nicht oder nur als vom Boulevard ekelhaft-voyeuristisches Zerrbild vorkommen. Die Anzahl der Gründe für diese Protestform scheint jedenfalls unbegrenzt. So traten in den Hungerstreik
im Januar 2007 in Grafenau ein Russlanddeutscher für eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.
im Oktober 2008 in Bergisch-Gladbach 27 Contergan-Opfer für die Anhebung ihrer Schwerbeschädigtenrenten.
im April 2009 in Hannover: 213 VW -Leiharbeitskräfte gegen ihre Entlassung.
im Mai 2009 sechs Milchbäuerinnen vor dem Kanzleramt für höhere Milchpreise.
im September 2009 in Görlitz ein Vater und sein Sohn wegen ruinöser Existenzgründungstipps der Arbeitsagentur.
im Januar 2010 ein ehemaliger Stasi-Häftling für mehr Mitsprache bei der Gestaltung der Gedenkstätte.
im September 2010 in Kassel drei Iraner gegen ihre drohende Abschiebung.
im November 2010 in Augsburg und Denkendorf (Kreis Eichstätt): 250 Flüchtlinge wegen unzumutbarer Lebensbedingungen.
Aber trotz derartiger Aktionen spielt der Hungerstreik im Protestalltag der rebellischen Republik nur eine untergeordnete Rolle.
Die unheimliche Macht der Straße: Demonstrationen
Dass Menschen auf die Straße gehen, wenn ihnen etwas nicht passt und sie keine Chance sehen, ihre Interessen
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