Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
brachte, war sie doch weit mehr als ein Unentschieden, denn man erkämpfte die Befreiung der Bauern für ganz Deutschland und die erste preußische Verfassung vom 31 . Januar 1850 . [8] Die schrieb zwar das Dreiklassenwahlrecht fest, [9] aber wenigstens hatten die Bürger jetzt »etwas Schriftliches in der Hand«, und insofern machte diese Verfassung Appetit auf mehr.
Hervorzuheben bleibt der als Novemberrevolution bekannte Übergang von der Monarchie zur parlamentarischen Demokratie im Jahr 1918 . Der Name ist allerdings irreführend, denn sie bestand gerade aus der Niederschlagung der Januarrevolution (»Spartakusaufstand«), wie man den Generalstreik und die bewaffneten Kämpfe in Berlin vom 5 . bis 12 . Januar 1919 später nannte.
Der damalige SPD -Boss Friedrich Ebert, den laut Wikipedia »die heutige SPD … als eines ihrer größten Vorbilder« [10] sieht, hatte im Ersten Weltkrieg durch seine Politik des
Burgfriedens
und der
Vaterlandsverteidigung
durch Bewilligung der Kriegskredite im Jahr 1914 der Monarchie buchstäblich bis zum letzten Atemzug die Treue gehalten.
Nach dem Krieg wollte die SPD – »ist der Ruf erst ruiniert …« – die alten kaiserlichen Eliten nicht völlig entmachten, sondern mit der neuen Demokratie versöhnen. Dazu verbündete sie sich mit der
Obersten Heeresleitung
und ließ den Spartakusaufstand mit Hilfe nationalistischer Killerkommandos blutig niederschlagen. [11] Am 6 . Januar übergab der erst am 19 . Februar als Reichspräsident inthronisierte, also zu diesem Zeitpunkt von keinem Menschen in irgendein Staatsamt gewählte Ebert den Oberbefehl über die Truppen in und um Berlin seinem SPD -Kumpan Gustav Noske, der sofort weitere »Freikorps« aufstellte. Zu organisierten Schlachten kam es nicht, da die Aufständischen nicht darauf vorbereitet waren; vielfach ergaben sie sich freiwillig. Dennoch erschoss das Militär über hundert Aufständische und eine unbekannte Zahl von unbeteiligten Zivilisten vor Ort. Ein Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags bezifferte die Zahl der Todesopfer später auf 156 . Wie der international anerkannte und gewiss nicht als SPD -Hasser bekannte Historiker Hans Mommsen den Sozialdemokraten ins Stammbuch schrieb, folgten der militärischen Besetzung erhebliche Gewaltexzesse der braunen Horden, die vorherige Aktionen einiger Linker weit in den Schatten stellten. [12] Am 15 . Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von aufgeputschten Soldaten, also von Noskes Untergebenen, heimtückisch und kaltblütig umgebracht.
Als diese von der SPD -Führung zu verantwortenden Morde zu republikweiten Unruhen führten, war Noske erst richtig in seinem Element. Er hetzte Freikorps und Reichswehrverbände auf alle Andersdenkenden mit dem Ergebnis von etwa 5000 Todesopfern und einigen politischen Morden an führenden Vertretern der Linken. [13]
Zusammengefasst: Der oberste Chef der Mörder von Luxemburg und Liebknecht sowie 5000 weiterer Frauen und Männer war die SPD -Ikone Friedrich Ebert. Und ist die These wirklich so absurd, dass Ebert durch seine Kooperation mit den Monarchisten einen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg – und damit letztlich auch Adolf Hitler – erst möglich machte? Wieso hat die SPD ihre Stiftung eigentlich nach Friedrich Ebert und nicht gleich nach Gustav Noske benannt? Möglicherweise hat man ja gewürfelt …
Heinrich Manns 1914 fertiggestellte Satire
Der Untertan
spielt zwar in der wilhelminischen Ära, beschreibt aber auch das Verhalten einer gewissen Sorte Mensch von 1933 bis heute. Die Rede ist von der Radfahrermentalität: nach oben buckeln, nach unten treten. Als Lehre aus der Nazizeit nahm die damalige Generation mit: »nur nicht auffallen«, »nur nicht aus der Reihe tanzen«, »sich nie mit der Obrigkeit oder mit Stärkeren anlegen«, »sein Fähnlein stets nach dem Wind hängen«. So entsteht »Mob« oder »Pöbel« – eine Ansammlung feiger Würstchen, die in der Masse aber gemeingefährlich werden kann.
In der Nachkriegszeit kamen zwei Dinge zusammen: Zum einen hatte fast jeder Zweite irgendwie »Dreck am Stecken« und wollte kein Aufsehen. Zum anderen – und das gilt bis heute – entwickelten manche Mitbürger ein schlechtes Gewissen bis hin zum blanken Hass auf diejenigen, die sich das trauten, wozu sie selbst zu feige waren. Dabei war kein Anlass zu lächerlich: Selbst wer nur gegen ein spießiges Outfit durch eine andere, zuweilen sogar individuelle Selbstpräsentation
Weitere Kostenlose Bücher