Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen
zur nächsten Attacke.«
So jung und schon politisch: Schülerdemos
Wer in seiner Kindheit als Mädchen nur
Bravo
und Schmachtschundromane, als Junge nur
Superman
-Comics und
Landser
-Heftchen verschlungen hat, dem sind Jugendliche, die sich heute statt Dschungelcamp und Castingshows lieber
Monitor
und
Frontal 21
ansehen, unheimlich und ein Dorn im rechtsblinden Auge. Die Achtundsechziger-Unruhen und die späteren spektakulären Aktionen und Massendemonstrationen der Umwelt-, Friedens- und Antiatomkraftbewegung bieten aber auch jenen unserer »konservativen« Mitbürger, die damals nicht einmal geplant waren, genügend Stoff für einen gepflegten Alptraum.
Der gefürchtete SDS hatte von Anfang an engen Kontakt zu kritischen Oberschülern und deren Gruppen: Der linksgestrickte Akademikernachwuchs der Gesellschaft zog also bereits seinen eigenen ideologischen Nachwuchs heran. [317] Teilweise wurden die Schüler durch die Generation Stalingrad nach Meinung des späteren grünen Bundestagsabgeordneten Hendrik Auhagen geradezu in die Arme der »Revoluzzer« getrieben, indem ihnen zum Beispiel bei eigenen harmlosen Demonstrationen etwa für eine Erhöhung der Lehrergehälter von Adolfs Erben das Arbeitslager empfohlen wurde, also dasselbe wie den linken Studenten. Mit ihnen fühlten sich dann viele verbunden, obwohl »deren inzwischen grundsätzlich revolutionäre Haltung sie zumindest zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannten, geschweige denn teilten«: Sie wurden »aufnahmebereiter für die Gedanken der radikalsozialistischen Studentenopposition«. [318]
Wenig Bedeutung hatten damals rechtschristliche »Kameradschaften« wie die Junge Union, der 1972 mit vierzehn Jahren zum Beispiel Politikersöhnchen [319] Roland Koch beitrat. Zur Ehrenrettung von Papis Lieblingen sei aber gesagt, dass die sich nicht die Bohne für Politik interessierten: »Für einen vierzehnjährigen … ist die Aktion wichtiger als der philosophische Hintergrund«, witzelt Kochs Hofbiograph Hugo Müller-Vogg. [320]
Wie gut, dass dann zunächst die Popper kamen (Jahrgang 1962 – 66 ), hochnäsige Sprösslinge der Mittel- und Oberschicht, die dank Papis Scheck ihr gesamtes Interesse dem Herausputzen der eignen Person widmen konnten, natürlich mittels allem, was teuer und exklusiv war, und die sich betont »unpolitisch« gaben. Nicht viel gefährlicher war die »Nullbock-Generation«; selbst die gegen 1980 aus den USA herübergeschwappte Punkerbewegung mit ihren Slogans
Null Bock auf nichts
und
Macht kaputt, was euch kaputt macht
war trotz Kontakten zur Hausbesetzerszene eine im Kern unpolitische, daher für die Herrschenden ungefährliche Bewegung.
Nicht viel anders die Generation Golf. Das gleichnamige Buch [321] des früheren Feuilleton-Chefs der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
Florian Illies seziert die Generation der zwischen 1965 und 1975 in der Bundesrepublik Deutschland Geborenen. Diese Generation war ihm zufolge geprägt von einer materiell sorgenfreien Jugend und dem System der übermächtigen, aber nicht polarisierenden Volksparteien und war deshalb – anders als die vorige Generation – außerordentlich unpolitisch. Stattdessen erhob sie als erste Generation Mode-Orientierung, Vergnügungssucht und Markenbewusstsein zu einem Wert an sich. Namensgebend für diese Generation war das erste Modell des Golf von Volkswagen: Er repräsentierte das Markenprodukt, während die Konkurrenzprodukte von Ford und Opel als minderwertig betrachtet wurden. Illies schreibt über Popkultur, Retrotrend, Nostalgie und Infantilität. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsschichten hatte die Generation Golf auch nicht die geringste Lust, sich mit den ökologischen und politischen Folgen des vermeintlichen Wirtschaftsbooms der New Economy, ja überhaupt mit Politik zu befassen. Lieber genoss sie den Wohlstand, den ihre Elterngeneration erarbeitet hatte, und investierte nach der Devise »Millionär werden ohne Arbeit« am 1997 geschaffenen
Neuen Markt.
Als dessen Blase platzte und am 9 . Oktober 2002 mit einem Stand von nur noch 318 Punkten in nur einunddreißig Monaten mehr als 96 Prozent seines Wertes (über 200 Mrd. Euro) verloren hatte, war auch in der Generation Golf der Katzenjammer groß, was wenigstens Illies Stoff für ein weiteres auflagenträchtiges Buch lieferte. In
Generation Golf zwei
schrieb er über die vorübergehenden Millionäre, die sogenannten Startup-Unternehmer. »Die jungen Männer durften zwei kurze Sommer lang glauben,
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