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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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AKW -Laufzeiten, Gesundheitsreform, Hartz IV oder Steuern auf Erbschaft, Vermögen und Einkommen: Kein Politiker wird sagen: »Ich betreibe diese Umverteilung von unten nach oben, weil ich korrupt bis ins Rückenmark bin und deswegen Kohle bis zum Abwinken besitze, Berühmtheit durch ständige Medienpräsenz habe und bei wichtigen Entscheidungen meinen Senf dazugeben kann. Außerdem habe ich bis zu meinem Tod und bis in die vierte Generation für ein bequemes Leben in Saus und Braus ausgesorgt.« Stattdessen sprudelt es nur von Hunderten Variationen ein und derselben dümmlichen Ausrede. »Es ist alles viel zu komplex.« Was aber soll daran »komplex« sein, Zockerbanken Hunderte von Milliarden zur direkten Weitergabe an die ebenso zockenden Aktionäre hinterherzuwerfen, den Steinreichen die Steuer auf ihre ebenfalls milliardenschweren Erbschaften weitgehend zu erlassen und diese halbseidenen Geschenke durch die kleinen Leute und die völlig Armen finanzieren zu lassen?
    Doch mit der unpolitischen jugendlichen Lethargie ist jetzt Schluss, glaubt man der Shell-Jugendstudie 2010 . [330] Aus ihr geht hervor, dass trotz des gemessen an den siebziger und achtziger Jahren nach wie vor niedrigen Niveaus des politischen Interesses bei Jugendlichen der Anteil der politisch Interessierten wieder leicht angestiegen ist. Ausschlaggebend sind demnach die mittleren und gehobenen Schichten und die Jüngeren. Bei den Zwölf- bis Vierzehnjährigen hat sich das Interesse seit 1992 mit 21  Prozent nahezu verdoppelt, bei den Fünfzehn- bis Siebzehnjährigen ist es von 20 auf 33  Prozent gestiegen. Politisch sieht sich die Mehrheit der Jugendlichen weiterhin links von der Mitte. Auch das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen hat sich der Studie zufolge kaum verändert: Gute Noten bekamen Polizei (!), Gerichte, Bundeswehr sowie Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen, schlechte die Regierung, die Kirche, große Unternehmen und Parteien. Als Folge der letzten Rezession zeigten Jugendliche »neuerdings einen ausgeprägten Missmut gegenüber Wirtschaft und Finanzen«, allen voran die Banken.
    Trotz allgemeiner Politiker- und Parteienverdrossenheit wollen sich Jugendliche durchaus an politischen Aktivitäten beteiligen, vor allem bei für sie persönlich wichtigen Fragen. So würden 77  Prozent bei einer Unterschriftenaktion mitmachen, 44  Prozent an einer Demonstration teilnehmen. Hier zeigten sich »Mädchen aktivitätsbereiter als Jungen«.
    Im Vergleich zu den Vorjahren sind immer mehr Jugendliche sozial engagiert: 39  Prozent setzen sich häufig für soziale oder gesellschaftliche Zwecke ein, wobei die Faustregel gilt: Je gebildeter und privilegierter, desto aktiver für den guten Zweck.
    Die alternde Gesellschaft in Deutschland sähen Jugendliche auch weiterhin als Problem und das Verhältnis zwischen Jung und Alt mehrheitlich als eher angespannt an. Dennoch zeigten immer mehr Jugendliche Respekt vor der älteren Generation. So hielten 47  Prozent die Verteilung des Wohlstands zwischen Jung und Alt für gerecht. Nur noch 25  Prozent fordern, dass die Älteren ihre Ansprüche reduzieren sollen.
    Professor Mathias Albert, einer der leitenden Autoren der Studie, sieht insgesamt eine »Repolitisierung der Jugend« und »erste Anzeichen einer neuen politischen Generation«. Die Jugendlichen »wollen mehr sein als Stimmvieh für die große Politik«, fasst Ayke Süthoff in
news.de
zusammen und nennt das Ganze
Aufstand der Teenies:
»Zu Tausenden ziehen Jugendliche auf die Straße, um für ihre Ideale zu demonstrieren. Wächst in Deutschland eine neue politische Klasse heran?« [331]
    Zweifellos regt sich auch bei den Schülern Widerstand. Zwar kann man hierzulande von bundesweiten Protestaktionen und Massendemos mit drei bis vier Millionen Teilnehmern wie bei den Herbstunruhen 2010 in Frankreich bislang nur träumen. Aber eindeutige Protestaktionen und Aufmärsche wie die oben erwähnten Stuttgarter Schülerdemos – Stichwort noch einmal: Wasserwerfer und Tränengas gegen Kinder – müssten auch die naivsten Oberschichtler und Parteispitzen ahnen lassen, das da noch einiges auf sie zukommen könnte. Da helfen auch noch so viele Verblödungsklingeltöne nicht mehr. Etwas Bemerkenswertes haben die französischen mit den Stuttgarter Jungrebellen allerdings gemeinsam, sie kämpfen nicht hauptsächlich für ihre eigenen Belange, sondern für die Interessen anderer: Die Franzosen für die Älteren, die Stuttgarter gegen das

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