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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Industrienationen gehört, verdeutlicht auch die beeidete Aussage eines Provokateurs in den Diensten der italienischen Regierung, des Agenten Vincenzo Vinciguerra, vom März 2000 : »Du musstest Zivilisten angreifen, die Bürger, Frauen, Kinder, unschuldige Leute, unbekannte Leute weit entfernt von jeglichem politischen Spiel. Der Grund war sehr simpel: Um die Öffentlichkeit zu zwingen, sich dem Staat zuzuwenden, um nach mehr Sicherheit zu verlangen.« [312] Besser kann man kaum zusammenfassen, von welchem Demokratieverständnis diese Regierungen wirklich ausgehen.
    Grenzen der Narrenfreiheit: Die Neonazi-Kids
    »Nicht hinter jeder Glatze steckt ein Neonazi«, betonen Eva Prausner und Kerstin Palloks und raten den Eltern zu mehr Aufmerksamkeit: »Welche Musik wird gehört, welche Kleidung wird gewählt, womit beschäftigt sich Ihr Kind? Welche Bücher, Broschüren und Flugblätter liest der Jugendliche? Seien Sie klar in Ihrem Standpunkt, ohne übereifrig zu werden: Es kann sich auch um ein vorübergehendes Phänomen handeln, ein ›Modethema‹, das sich von selbst verflüchtigt. Machen Sie zu schnell zu viel Druck, treiben Sie Ihr Kind unter Umständen noch stärker von Ihnen weg.« [313]
    Nach einer für die Friedrich-Ebert-Stiftung erstellten Repräsentativumfrage und Studie
Die Mitte in der Krise – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010
stimmt rund ein Viertel der Deutschen rassistischen Aussagen zu. So fand jeweils mehr als ein Drittel, dass Deutschland »überfremdet« sei, man »Ausländer« in ihre Heimat zurückschicken solle oder dass sie den Sozialstaat ausnutzen würden. Entsprechend meinten 8 , 8  Prozent der Befragten, »im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform«. Mehr als ein Drittel fand den Spruch richtig »Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.« [314] Anders als etwa die Anarchotruppe vom Schwarzen Block ernten nicht wenige junge Nazis durchaus auch klammheimliche und zuweilen offene Zustimmung von Eltern, deren Nachbarn und Bekannten. Und wenn Sie Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer einen Einwanderungsstopp für fremde Kulturkreise, also vor allem für Türken, Araber und Schwarze, fordern hören, [315] kommt Ihnen da nicht der fatale Gedanke: »Eigentlich kämpfen wir doch für dasselbe wie die Politiker und das deutsche Volk – wenn auch mit anderen Mitteln«?
    Nicht unwesentlich ist auch die Alltagsfürsorge von Faschoparteien. Wenn die Gemeinde einen Jugendtreff schließt – die Faschos machen einen auf. Wenn ein Pubertierender als Hartz- IV -Empfänger verspottet und ausgegrenzt wird – bei den Faschos findet er neue Freunde und ein neues Zuhause, das ihm Geborgenheit vermittelt. Und wenn er mit Glatze, Springerstiefeln und Bomberjacke den einen oder anderen provoziert – umso besser: Jedenfalls wird er nicht mehr übersehen.
    Ganz anders verhält es sich natürlich mit dem gewalttätigen Nachwuchs der Hardcore-Nazis, der nach dem Vorbild der Anführer auch vor Mord nicht zurückschreckt. Solche Typen gehören – auch wenn sie erst sechzehn sind – zum Schutz der Bevölkerung und der zum Nazifeindbild erklärten Minderheiten hinter Schloss und Riegel oder in einer geschlossenen Anstalt ausbruchssicher weggesperrt. Großes Hindernis dabei ist die Justiz. Laut einer
Zeit
-Statistik wurden allein von Oktober 1990 (Wiedervereinigung) bis September 2010 von meist jugendliche Neonazis 137 Menschen ermordet. Auffällig dabei sind die meist relativ geringen Jugendstrafen sowie die Umdichtung von Mord in haftmäßige »billigere« Delikte.
    So wurde in der Nacht zum 25 . November 1990 in Eberswalde (Brandenburg) der Angolaner Amadeu Antonio Kiowa zu Tode geprügelt. Etwa sechzig Rechtsradikale fallen mit Knüppeln und Messern über Afrikaner vor einem Gasthof her. Mehrere von ihnen können teils schwer verletzt flüchten; der achtundzwanzigjährige Antonio erwacht nicht mehr aus dem Koma und stirbt elf Tage später. Die drei Haupttäter, zur Tatzeit zwischen siebzehn und neunzehn Jahre alt, werden 1992 vom Bezirksgericht Frankfurt (Oder) wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge (!) zu je vier Jahren (!) Jugendstrafe verurteilt, ein achtzehnjähriger Mittäter erhält zwei Jahre auf Bewährung. [316] »Prima Deal«, sagte sich da der angehende Nazimörder. »Einen Bimbo kaltmachen, als Killergehilfe zwei Jahre auf Bewährung kassieren und dann als freier Mann wieder raus

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