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Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen

Titel: Die rebellische Republik / Warum wir uns nicht für dumm verkaufen lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Wieczorek
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Plündern der Staatskasse für »Bauaufträge«, massivste Umweltschädigung und die haarsträubende Verschandelung des von den meisten Schwaben als schön empfundenen Stadtbildes der Landeshauptstadt.
    Beide Kampffronten müssen bei den Neoliberalen in Union und SPD massivsten Brechreiz verursachen. Schließlich ist der neoliberale Jesus der
homo oeconomicus:
Raffgier ist Top, für andere eintreten ist Flop. [332] Wer also einer halbblinden Seniorin eine Jugendzeitschrift aufschwatzt, handelt rational und vorbildlich, wer ihr dagegen über die Straße hilft, irrational und psychiatriebedürftig.
    Besonders der Kampf der französsichen Jugend gegen die Rentenreform müssen deutschen Politikmachern übel aufgestoßen sein. Hier ging es auch gegen die Anhebung des Renteneintrittsalters von sechzig auf zweiundsechzig Jahre – wir haben längst siebenundsechzig. Und es wurde Solidarität mit den Alten bekundet – bei uns ließ die CDU durch ihren Bundesvorstand und JU -Chef Philipp Mißfelder die Streichung der Hüftgelenke für über Fünfundachtzigjährige fordern. Dass man dies vor der Wahl 2005 nicht mehr so offen vertrat, nötigt aufrechten Humanisten nur ein müdes Lächeln ab. Schließlich ist ja ein Herzstück westlich-marktwirtschaftlicher und erst recht neoliberaler Politik das systematische Aufhetzen der Schichten und Generationen gegeneinander. Da salbadert man von »Verantwortung für die künftigen Generationen«, aber das dafür fast allen Bevölkerungsteilen und besonders auch den Senioren abgeknöpfte Geld landet nicht etwa in irgendwelchen »Zukunftsfonds« – vom »Bildungs«-Etat ganz zu schweigen –, sondern auf den Konten der Nutznießer unseres Raubtierkapitalismus. Die Jüngeren und die übrigen Bürger hetzt man gegen die Senioren auf, die sich mit ihren zumeist lebenslang hart erarbeiteten Renten angeblich einen vergoldeten Lenz machen. Für diese Politik der Spaltung ist natürlich die Solidarität zwischen Jung und Alt das reinste, irgendwann sogar systemgefährdende Gift.
    Die Stuttgarter zum Beispiel wollen nämlich über alle Schicht- und Altersgrenzen hinweg ihren Erholungspark behalten und sparsamen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, die Regierenden hingegen Milliardenausgaben für Einkaufszentren und Luxuswohnungen für Millionäre. Sie wollen nicht von halbkriminellen Heuschreckenmanagern, Börsenspekulanten und Steuerbetrügern aus ihrer eigenen Stadt vertrieben werden. Gemeinsames Interesse, gemeinsamer Gegner, gemeinsamer Kampf. Kein Wunder, dass das
Jeder gegen Jeden
langsam, aber unverkennbar der Solidarität weicht.
    Ermutigendes Fazit: Die Jugend wird insgesamt wieder politischer. Schon seit Menschengedenken betrachtet die (jeweilige) »heutige Jugend« das, was um sie herum geschieht, weitaus kritischer, als manch ein Erwachsener ahnt. Eine gerechte, ökologische, friedliche und solidarische Welt ohne Betrug, Korruption, Repression und Ausbeutung ist eine Idealvorstellung, der die Jugend wieder zu folgen beginnt. Schüler demonstrieren nicht nur für bessere Lernbedingungen, sondern für mehr Beachtung allgemein relevanter Bürgerbelange durch die Politik. Gleichzeitig wächst in der »Generation Akne« die Bereitschaft, sich sozial und gesellschaftlich zu engagieren und nicht tatenlos zu verharren. Bemerkenswert ist, dass sich diese Jugend immer weniger einreden lässt, aktuelle Politik sei alternativlos. Möglicherweise wird diese politischere Jugend in Zukunft für mehr Aufsehen und Veränderungen sorgen, als den Nutznießern der heutigen Verhältnisse lieb sein dürfte.

»Hey, Boss, ich brauch mehr Geld« [578]  – Arbeitskämpfe
    Nach einer Studie der Sozialforscher von
Statista
sind die inflationsbereinigten Reallöhne in der Bundesrepublik seit 1990 um bis zu 50  Prozent gesunken. [579] Verbessern konnten sich nur wenige, kapitalismustypische Berufsgruppen wie etwa Makler und Marketingleute um über 62  Prozent sowie Bankenexperten und Anlageberater um 29  Prozent. Ganz vorne weg natürlich die DAX -Vorstände. Selbst im Krisenjahr 2009 rafften die Profiabräumer 35  Prozent mehr zusammen als im Börsenblasenjahr 1999 . [580] Aufschlussreich ist auch, wie sich das Verhältnis der Einkommen der Arbeitnehmer zu denen der Unternehmen und Kapitalbesitzer entwickelt hat. Laut einer Studie der Wirtschaftsdenkfabrik ideen-Park [581] betrug es zum Ende
    der rot-gelben Koalition unter Helmut Schmidt 1982 etwa 76 : 24
der schwarz-gelben Ära Helmut Kohl 1998

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