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Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman

Titel: Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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einmal in einer katholischen Messe gewesen?«
»Nein.«
»Sie glauben, daß Brot und Wein wirklich Körper und Blut sind. Das ist ein Wunder. Wenn wir die Magnetbänder vielleicht ganz perfekt machen, die Stimme und die äußere Erscheinung und…« »Pris«, sagte ich, »ich hätte nie gedacht, daß du Angst haben könntest.«
    »Ich habe keine Angst. Es ist einfach zuviel für mich. Als ich in die Oberschule kam, war Lincoln mein großer Held. Du weißt, wie das ist, wenn man jung ist, alles, was man in den Büchern liest, wird wirklich. Lincoln war für mich wirklich. Ich habe Jahre gebraucht, um die Phantasievorstellungen abzuschütteln, über die Kavallerie der Union, die Schlachten, Ulysses S. Grant…« Sie sah mich an. »Glaubst du, daß eines Tages jemand Simulacra von dir und von mir machen wird? Und daß wir ins Leben zurückkehren müssen?«
    »Was für ein makabrer Gedanke.«
»Da werden wir tot sein und für alles unempfindlich… und dann werden wir spüren, daß sich etwas regt. Vielleicht sehen wir ein Licht. Und dann wird alles über uns hereinfluten, noch einmal die Wirklichkeit. Wir werden nichts dagegen tun können, wir werden zurückkommen müssen. Wieder auferstanden!« Sie schauderte. »Das ist es nicht, was du machst; schlag dir das aus dem Kopf. Du mußt den echten Lincoln trennen von diesem – «
»Der wirkliche Lincoln existiert in meinem Gehirn«, sagte sie.
Ich war erstaunt.
»Das glaubst du doch gar nicht. Was meinst du damit? Du meinst, daß du die Idee in deinem Kopf trägst.«
Sie legte den Kopf auf die Seite und betrachtete mich.
»Nein, Louis. Ich habe Lincoln wirklich in mir. Und ich habe Nacht für Nacht gearbeitet, um ihn hinauszubefördern, in die Außenwelt.«
Ich lachte.
»Es ist eine schreckliche Welt, in die er gebracht wird. Hör zu, Louis. Ich will dir etwas sagen. Ich weiß, wie man mit den scheußlichen Wespen fertig wird, die uns so plagen. Man braucht nur einen Eimer Sand. Sie füllen ihr eigenes Nest damit, ganz von selbst, und dann ersticken sie.«
»Woher hast du das?«
    »Vor vielen Jahren, als ich sieben war. Louis, ich habe mir vorgestellt, wie es in einem solchen Nest sein muß. Ganz dunkel. Rings um mich andere wie ich. Dann kippt jemand Sand herein. Aber wir schlafen weiter. Dann kommt der Tag, und der Boden wird warm. Aber es bleibt dunkel. Wir wachen auf. Warum gibt es kein Licht? Wir gehen zum Eingang. Er ist verschüttet. Wir machen uns an die Arbeit.« Ich führte sie über die Straße; sie hielt die Augen die ganze Zeit geschlossen. »Wir sehen nie Tageslicht, Louis. Soviel Sand wir auch wegschaufeln. Wir arbeiten und warten, aber es kommt nicht. Niemals.« Mit verzweifelter, erstickter Stimme sagte sie: »Wir sterben da unten, Louis.«
    Ich verflocht ihre Finger mit den meinen.
»Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Kaffee?«
»Nein«, sagte sie. »Ich will nur gehen.« Wir gingen eine Weile. »Louis«, sagte Pris, »diese Insekten wie die Wespen und Ameisen – sie tun so viel in ihren Nestern unten; es ist sehr kompliziert.«
»Ja. Und auch Spinnen.«
»Vor allem Spinnen. Die Minierspinne, zum Beispiel. Ich möchte wissen, was eine Spinne empfindet, wenn jemand ihr Netz zerreißt.«
»Wahrscheinlich sagt sie ›verflixt noch mal‹.«
»Nein«, sagte Pris ernsthaft. »Sie wird wütend, und dann gibt sie die Hoffnung auf. Zuerst ist sie verärgert – sie würde dich zu Tode stechen, wenn sie dich erwischen würde. Und dann wird sie von einer schleichenden, schrecklichen, blinden Verzweiflung erfaßt. Sie weiß, daß alles wieder so kommen wird, selbst wenn sie es neu aufbaut.«
»Aber das tun Spinnen doch.«
»Sie müssen. Das steckt in ihnen drin. Deshalb ist ihr Leben schlimmer als das unsere; sie können nicht aufgeben und sterben – sie müssen weitermachen.«
»Du solltest auch einmal das Erfreuliche sehen. Du tust etwas Kreatives, wie das mit den Kacheln, mit den Simulacra. Denk daran. Muntert dich das nicht auf?«
»Nein«, sagte Pris. »Denn was ich tue, spielt keine Rolle. Es ist nicht genug.«
    »Was wäre genug?«
    Pris überlegte. Sie hatte die Augen wieder geöffnet und löste plötzlich ihre Finger aus den meinen.
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Aber ich weiß, gleichgültig, wie angestrengt ich arbeite, oder wie lang, oder was ich leiste – es wird nicht genug sein.«
»Wer richtet darüber?«
»Ich.«
»Du glaubst nicht, daß du Stolz empfinden wirst, wenn du siehst, wie der Lincoln zum Leben erwacht?«
»Ich weiß, was ich

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