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Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman

Titel: Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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empfinden werde. Größere Verzweiflung als je zuvor.« Ich sah sie an. Warum das, fragte ich mich. Verzweiflung im Erfolg… das ergibt keinen Sinn. Was würde dir dann das Scheitern bringen? Freude?
»In der Natur gibt es auch Güte und Liebe, nicht nur Kälte und Verzweiflung«, sagte ich.
»Ich kann diese Seite des Daseins nicht sehen, Louis. Durch das Leben verliert man die Unschuld, weil Leben Erfahrung heißt, und Erfahrung – «
»Du bist eine Zynikerin«, meinte ich.
»Nein, Louis. Nur eine Realistin.«
»Ich sehe, daß es aussichtslos ist. Niemand kann durchstoßen und zu dir gelangen. Und weißt du, warum? Weil du so sein möchtest, wie du bist; du ziehst das vor. Es ist einfacher, es ist überhaupt das Einfachste. Du bist in einem gigantischen Maßstab faul und wirst so bleiben, bis du gezwungen wirst, dich umzustellen. Von selbst wirst du dich nie verändern. Es wird sogar wieder noch schlimmer werden.«
Pris lachte scharf und kalt.
Wir gingen also zurück, ohne noch miteinander zu sprechen.
    Als wir in die Werkstatt zurückkamen, sahen wir, wie der Stanton Bob Bundy bei der Arbeit am Lincoln beobachtete. »Das wird der Mann sein, der Ihnen die vielen Briefe über Gnadenerweise für Soldaten geschrieben hat«, sagte Pris zum Stanton.
    Der Stanton sagte nichts; er blickte nur auf die liegende Gestalt.
»Das sehe ich«, erklärte er schließlich. Er räusperte sich, legte die Hände auf den Rücken und wippte auf den Zehen.
»Maury, ich glaube, der wird jetzt schon besser als der Stanton«, sagte Pris. »Schau, er bewegt sich.«
Ja, der Lincoln hatte sich bewegt.
»Sam Barrows müßte hiersein«, sagte Pris aufgeregt. »Was ist los mit uns? Wenn er das sehen könnte, wäre er überwältigt – das weiß ich. Sogar er, Maury, sogar Sam Barrows!«
Es war eindrucksvoll. Kein Zweifel.
»Hilf ihm, sich aufzusetzen«, sagte Pris.
Das Lincoln-Simulacrum hatte angefangen, sich zu winden und mit den großen Händen um sich zu schlagen. Es blinzelte, schnitt eine Grimasse; die schweren Züge regten sich. Mary und ich sprangen hin, um ihm aufzuhelfen; mein Gott, es war schwer, wie massives Blei. Aber endlich gelang es uns, und wir lehnten es an die Wand, damit es nicht wieder wegrutschte.
Es stöhnte.
Irgend etwas an diesem Laut trieb mir einen Schauer über den Rücken.
»Was glauben Sie?« sagte ich zu Bundy. »Ist alles in Ordnung? Es leidet doch nicht, oder?«
»Ich weiß nicht.« Bundy fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Haare; ich bemerkte, daß seine Hände zitterten. »Ich kann es überprüfen. Die Schmerz-Schaltungen.«
»Schmerz -Schaltungen?«
    »Ja. Es braucht sie, sonst prallt es an eine Wand oder an irgendeinen Gegenstand und demoliert sich.« Bundy wies mit dem Daumen auf den stumm zusehenden Stanton. »Das hat er auch. Was denn sonst, Herrgott nochmal?«
    Wir verfolgten ohne Zweifel die Geburt eines lebenden Wesens. Es hatte jetzt begonnen, uns wahrzunehmen; seine schwarzen Augen bewegten sich auf und ab, hin und her. Ein Wesen stürzte in unsere Zeit, unseren Raum, nahm sich und uns wahr, sein Dasein hier; die schwarzen Augen sahen alles und erkannten doch nichts.
»Mein Gott«, murmelte Maury. »Es sieht uns wirklich komisch an.«
Eine tiefe Gabe war in diesem Ding verborgen. Hatte es sie von Pris erhalten? Ich bezweifelte es. Von Maury? Ausgeschlossen. Das hatten beide nicht getan und auch Bob Bundy nicht. Sie hatten in das Ohr dieses Dings Leben geträufelt, aber es war eine Übertragung, keine Erfindung; sie hatten Leben weitergegeben, aber es entsprang nicht in einem oder allen von ihnen. Es war eine Ansteckung; sie hatten sie einmal bekommen, und nun nahmen diese Stoffe sie auf – für eine Zeit.
Und während ich sah, wie der Lincoln langsam eine Beziehung zu dem Gesehenen herstellte, begriff ich etwas: Die Grundlage des Lebens ist nicht eine Gier, zu existieren, kein Trieb. Sie ist Angst, die Angst, die ich hier sah. Und nicht nur Angst; viel schlimmer. Absolutes Grauen . Lähmendes Grauen von solcher Stärke, daß sie Apathie erzeugt. Und trotzdem regte sich der Lincoln und erhob sich daraus. Warum? Weil er mußte. Bewegung, Aktion, sie wurden durch das Ausmaß des Grauens bestimmt. Dieser Zustand konnte seiner Natur nach nicht ertragen werden.
Die ganze Aktivität des Lebens war eine Anstrengung, diesen einen Zustand abzubauen.
    Die Geburt ist nicht erfreulich, entschied ich. Sie ist schlimmer als der Tod; über den Tod kann man philosophieren – und wird es vermutlich tun; alle

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