Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
bringen würde. Halluzinierend, erschöpft und ohne Hoffnung, hatten mich die Behörden endlich ins Schlepptau genommen, wie vor einigen Jahren auch sie. Ich hatte Horstowskis Diagnose nicht gelesen, aber ich wußte, daß er schizophrene Reaktionen in mir entdeckt hatte… Ich spürte sie selbst. Warum bestreiten, was offenkundig war?
Im Augenblick konnte ich nur für einen kleinen Bruchteil meines Geistes sprechen, während der Rest seine eigenen Wege ging.
Das machte mir klar, weshalb das McHeston-Gesetz so notwendig war. Ein wahrhaft psychotisches Wesen, wie ich, konnte von selbst keine Hilfe suchen; es mußte vom Gesetz dazu gezwungen werden. Das hieß es, psychotisch zu sein.
Pris, dachte ich. Du bist auch einmal in diesem Zustand gewesen; sie haben dich in der Schule entdeckt, geholt und von den anderen getrennt, geholt wie mich. Und sie haben dich wieder in die Gesellschaft zurückführen können. Wird es ihnen auch bei mir gelingen?
Und werde ich wie du sein, wenn die Behandlung abgeschlo ssen ist? Zu welchem früheren, angepaßteren Zustand wird man mich zurückführen?
Wie werde ich dann zu dir stehen? Werde ich mich an dich erinnern?
Und wenn ja, wirst du mir noch soviel bedeuten wie jetzt?
Dr. Horstowski brachte mich in den Wartesaal, und ich saß eine Stunde bei all den anderen verwirrten, kranken Leuten, bis endlich eine Schwester kam und mich holte. In einem kleinen Sprechzimmer wurde ich Dr. Nisea vorgestellt. Er war ein gutaussehender Mann, nicht viel älter als ich, mit sanften, braunen Augen, dichten, wohlfrisierten Haaren, und einer vorsichtigen, zurückhaltenden Art, die ich außerhalb der Veterinärmedizin noch nie erlebt hatte.
»Ich bin hier, weil ich keine Grundlage mehr besitze, auf der ich anderen Menschen meine Wünsche und Gefühle mitteilen kann«, sagte ich. Beim Warten hatte ich mir alles genau überlegt. »Es gibt keine Möglichkeit mehr für mich, meine Bedürfnisse in der realen Welt zu befriedigen; ich muß mich statt dessen innerlich einem Phantasiedasein zuwenden.«
Dr. Nisea lehnte sich zurück und sah mich nachdenklich an.
»Und das wollen Sie ändern?«
»Ich möchte Befriedigung erlangen, die echte.«
»Haben Sie mit anderen Leuten gar nichts gemeinsam?«
»Nichts. Meine Wirklichkeit liegt ganz außerhalb der Welt, die andere erfahren. Sie, zum Beispiel; für Sie wäre sie ein Phantasiegebilde, wenn ich Ihnen von ihr erzählen würde.« »Wer ist sie?«
»Pris.«
Er wartete, aber ich sprach nicht weiter.
»Doktor Horstowski hat kurz mit mir über Sie telefoniert«, sagte er nach einer Weile. »Sie haben offenbar die Dynamik der Schwierigkeiten, die wir den Magna-Mater-Typ der Schizophrenie nennen. Nach dem Gesetz muß ich jedoch zuerst den JamesBenjamin-Sprichwort-Test und dann den sowjetischen WigotskiLuria-Würfel-Test mit Ihnen machen.« Er nickte, und hinter mir erschien eine Assistentin mit Block und Bleistift. »Ich nenne jetzt einige Sprichwörter, und Sie sagen mir, was sie bedeuten. Sind Sie bereit?«
»Ja«, sagte ich.
»›Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch‹.«
Ich dachte nach und sagte: »Bei Abwesenheit der Autorität geschehen schlimme Dinge.«
So fuhren wir fort, und ich hielt mich gut, bis Dr. Nisea zu der für mich fatalen Nummer Sechs kam.
»›Ein rollender Stein setzt kein Moos an‹.«
Sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte mich an den Sinn nicht erinnern. Schließlich sagte ich: »Nun, das meint eine Person, die immer aktiv ist und nie innehält, um nachzudenken…« Nein, das hörte sich nicht richtig an. Ich versuchte es noch einmal. »Damit ist ein Mann gemeint, der immer aktiv ist und in seiner geistigen und moralischen Statur wächst und nicht erlahmt.« Er sah mich prüfend an, also fügte ich hinzu: »Ich meine, ein Mann, der aktiv ist, und der unter seinen Füßen kein Gras wachsen läßt. Er wird es im Leben zu etwas bringen.« »Verstehe«, sagte Dr. Nisea. Und ich wußte, daß ich im Sinne der gesetzlichen Diagnose eine schizophrene Denkstörung verraten hatte.
»Was heißt es?« fragte ich. »Habe ich es verkehrt gesehen?«
»Ja, ich fürchte. Der allgemein anerkannte Sinn des Sprichworts ist das Gegenteil dessen, was Sie gesagt haben; es bedeutet generell, daß eine Person, die…«
»Sie brauchen es mir nicht zu sagen«, unterbrach ich ihn. »Ich weiß es wieder – ich habe es immer gewußt. Eine Person, die labil ist, wird nie etwas von Wert erlangen.«
Dr. Nisea nickte und ging zum nächsten Sprichwort
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