Die Rebenprinzessin
dem Weg hierher hatte sie sich erinnert, wie ihr Kater früher immer auf sie zugelaufen kam, wenn sie von einem Spaziergang oder einer Reise zurückgekehrt war.
Das erwartete sie mittlerweile nicht mehr, dazu war zu viel Zeit vergangen. Aber zumindest auf dem Hof müsste er doch zu sehen sein!
»Der Kater ist tot«, antwortete ihr Vater mit einer Trockenheit, die Bella erschreckte.
Immerhin hatte er ihr das Tier zum Geschenk gemacht! Und jetzt redete er so beiläufig von dem Kater, als sei er ein Holzkreisel, der in einem Brunnenschacht verloren gegangen war.
»Tot?«, fragte sie fassungslos. »Aber er müsste bestenfalls neun Jahre alt sein! Die Katze in unserem Kloster erfreute sich mit beinahe zwanzig Jahren noch immer bester Gesundheit.«
»Er wurde von einem Wagen überfahren.«
Bella schüttelte ungläubig den Kopf. Auf einmal wurde ihr Mund ganz trocken, und sie konnte nicht mal sagen, was sie mehr entsetzte: die Tatsache, dass ihr Vater so beiläufig von einem Tier sprach, das ihr einst am Herzen gelegen hatte, oder der Tod Peterles selbst. Es fiel ihr schwer, zu glauben, dass er einfach überfahren worden war. Ihr Kater hatte die Wagen gekannt und war nie leichtsinnig gewesen.
Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf.
»Wann ist es passiert?«, presste sie hervor.
»Zwei Jahre, nachdem du fort warst«, antwortete der Graf. Der Unwille, sich weiter über dieses Thema zu unterhalten, schwang deutlich in seiner Stimme mit.
Bellas Herz krampfte sich zusammen. Sie hätte am liebsten weitergefragt, aber würde ihr Vater die Wahrheit sprechen? Würde er zugeben, dass er das Tier getötet hatte, weil es ihn ebenso wie seine Tochter an seine verlorene Liebe erinnert hatte?
»Wenn du willst, bekommst du einen neuen Kater«, sagte Rudolph von Katzenburg, um das Thema abzuschließen. »Aber ich glaube kaum, dass du in der nächsten Zeit Gelegenheit haben wirst, albernen Kindereien zu frönen.«
Ein Tier, das einem Trost und Freude spendet, ist also für dich eine alberne Kinderei, überlegte Bella im Stillen, doch sie hütete sich, den Gedanken auszusprechen. Sie hatte sich so lange auf die Rückkehr zur Burg und zu ihren Weinbergen gefreut, dass sie sich diesen Tag nicht durch einen Streit mit ihrem Vater verderben wollte.
Sie schritten zum Schlosstor, wo sich einige Frauen und Männer versammelt hatten. Die Rückkehr der Grafentochter hatte sämtliche Bewohner und Bediensteten der Burg in Aufregung versetzt.
Als sie Bella sahen, knicksten die Mägde, während die Knechte ihre Hüte vom Kopf zogen und sich verneigten.
Bella freute sich über die Anteilnahme der Bediensteten und suchte in der Menge nach vertrauten Gesichtern.
Hulda, die Köchin, stand noch immer in den Diensten ihres Vaters. Ihr Haar war mittlerweile grau geworden, aber ihre Wangen strahlten noch immer rosig. Aus Peter und Johann, den Stallknechten, waren reife Männer geworden. Anna und Lena, mit denen Bella früher im Hof gespielt hatte, waren ebenso wie sie zu jungen Frauen herangereift. Der Kellermeister Bernhard Wackernagel stand auch noch im Sold ihres Vaters. Ein üppiger Bart umrahmte nun seine Lippen, doch wie damals saß ihm das Haar noch immer etwas wirr auf dem Kopf.
Einige Gehilfen erkannte sie ebenfalls noch, doch mittlerweile waren viele neue Gesichter hinzugekommen. Einige von diesen Burschen und Mägden musterten die Grafentochter ganz unverhohlen, während andere den Blick scheu gesenkt hielten. Bella entdeckte unter ihnen Mädchen in ihrem Alter. Sie lächelte ihnen zu, was die meisten von ihnen dazu brachte, überrascht die Augen aufzureißen und sich dann abzuwenden.
Im selben Augenblick fiel Bella wieder ein, dass sie sich mit diesen Mädchen nie würde anfreunden können. Im Kloster hatte es keine Standesunterschiede gegeben, hier dagegen war sie wieder die Grafentochter, und ihr Vater würde es gewiss als unschicklich betrachten, wenn sie sich mit den Mägden herumtrieb. Außerdem würden es die Mädchen gewiss nicht wagen, ihr Freundschaftsangebot anzunehmen.
Als sie weitergingen, wurde Bellas Aufmerksamkeit auf eine Kutsche gelenkt, die neben den Pferdeställen stand. Da das Wappen auf der Tür nicht das ihrer Familie war, hatte sich ihr Vater wohl kein neues Gefährt zugelegt.
»Haben wir Besuch?«, fragte sie verwundert.
Rudolph von Katzenburg zögerte einen Moment zu lange mit der Antwort. »Ja, der Herr von Uhlenfels ist gestern angekommen.«
Bella versuchte, dem Namen ein Gesicht zuzuordnen, aber
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