Die Rebenprinzessin
während er sich die Wange rieb, die wie unter hundert Nadelstichen brannte.
»Dafür, dass du meine Kinderfrau beleidigt hast!«, platzte es aus Bella heraus, und erst hinterher merkte sie, was sie damit angerichtet hatte.
»Kinderfrau?«, fragte der Junge verwundert, doch herrannahende Schritte bewahrten Bella vor einer Erklärung.
Die Stimme eines Mannes schwebte über ihnen, eine Stimme, die Bella nur allzu gut kannte.
»Still!«, zischte sie Martin zu und duckte sich. Dabei krallte sie die Hand in seine Jacke und zog ihn mit sich hinab.
»Also gibt es doch jemanden, vor dem du fliehst«, zischte ihr der Bursche zu.
Bella antwortete darauf nichts. Während sie den Blick nicht von den Weinreben und den Stiefelpaaren ließ, die sich ihnen näherten, betete sie leise, dass man sie nicht finden möge.
Natürlich ließ es sich ihr Vater nicht nehmen, seinem Gast den Weinberg zu zeigen.
»Wie Ihr hier seht, tragen unsere Rebstöcke in diesem Jahr die prächtigsten Trauben weit und breit. Dieser Jahrgang wird der beste seit langem.«
Natürlich gibt er mit dem Wein an, dachte Bella. Als ob es ein zusätzlicher Anreiz für den Herrn Hohenstein wäre. Dabei versteht er von alledem nichts und hat auch keine Leidenschaft für den Wein.
Bevor sie weiter lauschen konnte, stieß Martin hinter ihr ein heftiges Niesen aus.
»Sch!«, zischte sie ihn an, aber da war es bereits zu spät.
Rudolph von Katzenburg stob voran, wahrscheinlich in der Annahmme, auf jemanden zu treffen, der ihn belauschte. Als der Graf die Reben beiseiteschob, erblickte er Bella am Boden hockend – und neben ihr Martin!
Augenblicklich wurde sein Blick glühend. »Was hat das zu bedeuten?«, fuhr er die beiden an.
»Vater, ich …«
»Treibst du dich neuerdings mit den Pflückern herum?«
»Nein, ich wollte nur …«
»Ich habe Eure Tochter hier zwischen den Weinreben entdeckt und wollte …«, setzte Martin zu einer Verteidigung an, aber weit kam er damit nicht, denn der Graf versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, die seine Lippe aufplatzen ließ.
»Mit dir habe ich nicht geredet, Bursche! Wer bist du überhaupt?«
Martin blickte ihn flammend an. Unter anderen Umständen hätte er sein Schwert ziehen und den Graf von Katzenburg herausfordern können. Aber hier war er nur ein einfacher Knecht, der nicht das geringste Recht hatte, sich gegen seinen Herrn aufzulehnen. Martin wollte auf keinen Fall ausgepeitscht werden oder den Kopf abgeschlagen bekommen, wie es manche Lehnsherren mit ihren Leibeigenen hielten.
»Ich diene Euer Gnaden«, entgegnete er, und obwohl es ihm schwerfiel, senkte er den Blick.
»Und da erlaubst du es dir, meine Tochter anzusprechen?«
»Ich …«
Wieder brachte ihn eine Ohrfeige zum Schweigen.
»Scher dich an deine Arbeit, sonst prügele ich dich windelweich!«, brüllte ihn der Graf an, dass es in Martins Ohren nur so rauschte.
»Er hat dir nichts getan!«, begehrte Bella nun auf. »Und ja, es stimmt, er hat mich angesprochen, aber nur, weil er fragen wollte, ob ich Hilfe brauche. Das war sehr freundlich von ihm!«
Der Blick ihres Vater flammte geradezu vor Wut. Bella erwiderte ihn furchtlos. Sie war schon lange nicht mehr das kleine Mädchen, das ihr Vater ins Kloster gesteckt hatte. Sie war eine erwachsene Frau, und gemäß den Worten der Äbtissin durfte sie nicht zulassen, dass irgendwem Unrecht geschah.
»Du hast kein Recht, ihn zu schlagen!«, setzte sie hinzu und ignorierte seinen spöttischen Blick.
»Und ob ich ein Recht dazu habe!«, donnerte der Graf. »Dies ist mein Land, und der Bursche ist mein Untergebener. Er hat die Finger von meiner Tochter zu lassen, sonst werde ich sie ihm abschlagen.«
Martin zog es vor, zu verschwinden. Das Mädchen tat ihm leid, aber er machte sicher alles nur noch schlimmer, wenn er sich für sie in die Bresche warf.
Immerhin wusste er nun, dass es sich bei der Schönen um die Tochter des Grafen handelte, und damit fiel ihm auch wieder die Gelegenheit ein, bei der er sie kennengelernt hatte. Doch diesem Gedanken konnte er jetzt nicht folgen. Er hastete durch die Rebstöcke, blieb aber nach einer Weile stehen und kauerte sich unter ein besonders dichtes Exemplar. Hier konnten ihn die beiden Männer nicht mehr sehen, während er sie sehr wohl noch hören konnte.
Bella und ihr Vater funkelten sich noch eine Weile zornig an. Tausende Worte schwirrten im Kopf der Grafentochter herum, und am liebsten hätte sie ihm alle an den Kopf geworfen. Doch die
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