Die Rebenprinzessin
dem Fassmeister befohlen, ihn zu beschäftigen, damit er nicht wieder im Weinberg herumstreunte.
Da der Fassmeister und auch die anderen Knechte nicht zu sehen waren, betrat sie kurzerhand die Werkstatt. Sofort umfing sie der vertraute Holzgeruch, außerdem nahm sie eine Spur Wein und Essigaroma wahr. Letzteres kam von den alten Fässern, die Martin reinigte.
Auf dem Fußboden lagen Späne von neu zugehackten Fassdauben, von denen einige in kleinen Pfützen schwammen, die sich unterhalb der zu reinigenden Fässer gebildet hatten.
Als Martin ihre Anwesenheit bemerkte, blickte er auf. Jetzt erkannte Bella deutlich, dass sich an seinem Wangenknochen ein blauer Fleck gebildet hatte. Der Schlag ihres Vaters war wohl noch härter gewesen, als er ausgesehen hatte.
Diesmal lächelte er sie nicht an, sondern verneigte sich nur. »Euer Gnaden.«
»Mein Name ist Bella«, entgegnete sie. »Nicht anders solltest du mich nennen.«
»Wie Ihr wünscht.«
Die Kälte seiner Worte verunsicherte Bella ein wenig. Zürnte er ihr etwa? Sie hatte ihn doch verteidigt. »Was ist los?«, fragte sie verwundert.
»Was soll schon los sein?«, fragte Martin und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
»Vorhin hast du anders mit mir gesprochen.«
»Vorhin wusste ich ja auch noch nicht, dass du die Tochter des Grafen bist.«
»Ändert das irgendwas?« Bella ließ sich auf einem freien Schemel nieder. Als sie ihre Hand nach der Wange des Jungen ausstreckte, zuckte er zurück und vermied so die Berührung. Die junge Frau zog die Hand wieder zurück. »Es tut mir leid«, sagte sie daraufhin. »Mein Vater ist eigentlich ein guter Mann.«
Martin nickte. Er konnte nicht beurteilen, wie der Graf von Katzenburg sonst war. So, wie er ihn erlebt hatte, hatte er das Bild eines zornigen Mannes abgegeben, dem nicht einmal was an seiner Tochter lag. Und jetzt kam sie zu ihm, um sich zu entschuldigen?
»Er will dich verheiraten.«
Bella riss überrascht die Augen auf. »Hast du etwa …«
»Ja, ich habe ihn und den anderen belauscht«, entgegnete Martin und fragte sich, ob es wohl gut war, ihr zu berichten, was die beiden geredet hatten.
Doch was würde das ändern? Welchen Nutzen brachte es ihm? Also beschloss er, über die Einzelheiten zu schweigen. Sobald er einen Trieb der Pflanze in seinem Besitz hatte, würde er ohnehin von hier verschwinden.
Bella seufzte auf seine Worte schwer. »Ja, er will mich verheiraten. Oder besser gesagt loswerden.«
»Loswerden? Aus welchem Grund?«
»Weil er meinen Anblick nicht ertragen kann.«
Martin blickte sie fassungslos an. »Was?« Das war wohl das Dümmste, was er je gehört hatte!
»Er kann ihn nicht ertragen, weil ich aussehe wie meine Mutter. Sie ist die Frau, die er über alles geliebt und die er bei der Geburt seines Sohnes verloren hat.« Bella brach ab. Warum erzählte sie diesem wildfremden Burschen das alles? Wahrscheinlich verstand er sowieso nicht, welche Traditionen man in so einer Adelsfamilie pflegte. Er konnte sich sein Mädchen wählen, wie er wollte.
»Das tut mir leid«, schreckte sie Martins Stimme aus ihren Gedanken. »Meine Mutter ist gestorben, als ich zehn war. Ein Fieber hat sie dahingerafft.«
Das stimmte nicht so ganz, wie Martin zugeben musste. Die Ärzte, die seine Mutter behandelt hatten, waren der Meinung gewesen, dass ein Geschwür sie von innen heraus auffressen würde. Aber ein einfacher Bauer konnte sich nun mal keinen Arzt leisten.
»Dann sind wir also beide zur Hälfte Waisen. Oder ist dein Vater gar …«
»Nein, er erfreut sich bester Gesundheit. Aber du kannst mir glauben, dass er nicht weniger schwierig ist als dein alter Herr.«
Bella lachte auf.
»Was ist daran so komisch?«, fragte Martin verwirrt.
»Dich hat dein Vater sicher nicht in die Flucht geschlagen, weil er dich verheiraten wollte, oder?«
Darauf wusste Martin zunächst nichts zu sagen, denn genauso war es letztlich gewesen. Nur hatte sein Vater andere Gründe gehabt als ihrer.
Bella betrachtete ihn prüfend, dann streckte sie die Hand erneut nach seiner Wange aus. Diesmal ließ er zu, dass ihre kalten Fingerspitzen auf seine Haut trafen. Sie streichelte den blauen Fleck so vorsichtig und zart, dass Martin am liebsten schwelgend die Augen geschlossen hätte. Dann zog sie die Hand zurück.
»Wenn du willst, zeige ich dir morgen den Weinberg«, sagte sie dann. »Heute wird mein Vater auf meine Anwesenheit beim abendlichen Bankett bestehen. Und du wirst sicher zu arbeiten haben. Aber morgen
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