Die Rebenprinzessin
Fassungslosigkeit raubte ihr die Stimme.
Bevor der Graf seine Tochter anweisen konnte, zu gehen, wirbelte sie herum und rannte zwischen den Weinreben hindurch. Tränen brannten ihr in den Augen. Sie hätte erwartet, dass er ihr etwas nachrufen würde, doch alles, was sie vernahm, war das Rascheln der Weinblätter, die sich schließlich hinter ihr schlossen, als wollten sie sie beschützen.
»Eure Tochter hat sehr viel Temperament, Euer Gnaden«, bemerkte Hans von Uhlenfels, nachdem die junge Frau verschwunden war.
Graf von Katzenburg knirschte verärgert mit den Zähnen. Was war nur in seine Tochter gefahren! Hatte Äbtissin Magdalena ihr das beigebracht? »Ja, das hat sie«, sagte er schließlich. »Leider Gottes!«
»Meint Ihr wirklich, sie hätte mit dem Burschen …«, fragte Uhlenfels mit einem vielsagenden Grinsen.
Rudolph von Katzenburg wusste, was sein Gast damit andeuten wollte.
»Natürlich nicht!«, entgegnete er. »Meine Tochter ist ein tugendhaftes Mädchen, aber im Kloster hat sie wohl den Hang dazu entwickelt, mit Gesinde Umgang zu pflegen.«
»Dabei könnte man meinen, dass in einem Kloster nur Damen aus adligem Hause Aufnahme finden.«
»Äbtissin Magdalena nimmt auch Konversinnen sowie Töchter aus niedrigerem Stand auf.«
»Dann hättet Ihr Eure Tochter vielleicht in ein anderes Kloster schicken sollen.«
Rudolph von Katzenburg wischte diesen Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Ich wusste, dass sie im Kloster Bärbach am besten aufgehoben ist. Anna von Nassau hat es gegründet, mit deren Vater ich freundschaftliche Beziehungen pflege. Auch wollte ich meine Tochter nicht ganz aus der Heimat fortschicken.«
»Obwohl es, wie Ihr zugeben müsst, recht ungewöhnlich ist, seine Erstgeborene in ein Kloster zu senden. Ihr hättet sie zur Hausfrau erziehen lassen müssen.«
»Ich glaube, dass sie den Pflichten einer Hausfrau bestens nachkommen kann«, entgegnete Rudolph von Katzenburg und konnte nur schwerlich seinen Ärger verbergen. Wenn er Bella und diesen Burschen nicht getroffen hätte, hätte er sich die Diskussion über ihre Erziehung sparen können. »Allerdings wünschte ich mir, sie wäre etwas weniger starrköpfig.«
»Mir scheint eher, dass sie einen festen Willen hat. Was das angeht, scheint sie nach Euch zu kommen.«
Der Graf verzog das Gesicht, als hätte er in eine saure Traube gebissen. Diese Bemerkung war nicht beleidigend gemeint, dennoch verursachte sie ihm Unwohlsein. »Mag sein«, entgegnete er knapp. »Aber wie ich bereits sagte, ich wünschte, es wäre nicht so.«
»Meinen Herrn wird das gewiss nicht stören«, winkte Hans von Uhlenfels ab. »Er weiß die Frauen zu zähmen. Mag Eure Tochter noch so widerspenstig sein, er wird ihr schon Zügel anlegen.«
Das Lachen seines Gastes dröhnte in den Ohren des Grafen. Das Gesagte gefiel ihm nicht, denn obwohl Bella ihn momentan zur Weißglut reizte, wollte er keineswegs, dass ihr Gemahl sie unter seine Knute zwang.
Wahrscheinlich würde Bella es gar nicht so weit kommen lassen. In ihrer Aufmüpfigkeit erkannte er sich selbst, wenngleich es sich für eine Grafentochter nicht ziemte.
»Lasst uns besser wieder vom Wein sprechen«, lenkte er rasch auf ein anderes Thema über. Er wollte nicht, dass das Verhalten seines Gastes ihm dazu Anlass gab, das Heiratsansinnen noch einmal zu überdenken. »Ich habe vor kurzem eine neue Rebsorte angebaut, die sich hervorragend macht. Ich bin sicher, dass ich daraus noch viel besseren Wein gewinnen kann als aus jeder altbekannten Sorte.«
»Dann zeigt sie mir. Obwohl ich, was Eurer Tochter ja bereits aufgefallen ist, keine große Expertise habe, was den Weinbau angeht, bin ich bereit, mich von Eurer Begeisterung anstecken zu lassen.«
Damit schritten die beiden Männer die Reihe entlang.
Martin, der noch immer zwischen den Rebstöcken hockte, konnte nicht glauben, was er da mit angehört hatte. Sein Vater war ein harter Mann, aber der Graf von Katzenburg war offenbar noch schlimmer. Seine Tochter war reizend, selbst Rosalina war nicht so schön wie sie. Und der Graf behandelte sie, als sei sie eine Fremde. Warum? Sie war gewiss nicht die folgsamste Tochter, aber sie hatte einen größeren Sinn für Gerechtigkeit als so mancher angehende Rechtsgelehrte.
Zorn loderte in ihm, und am liebsten hätte er dem Grafen auf der Stelle einen Denkzettel verpasst, doch er beherrschte sich.
Was hatte der Graf noch gesagt? Eine neue Weinsorte wuchs auf seinem Weinberg. War das vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher