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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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sich, einzugreifen.«
    » Seit heute morgen hat unsere Stadt ihren eigenen Scharfrichter, genauso wie Rodez, Nimes, Albi und Paris, er bekleidet den Rang eines Beamten der lehnsherrlichen Gerichtsbarkeit.«
    »Auf was wartet er dann, um uns von diesem Aas zu befreien, das stinkt wie ein ganzer Friedhof? Bald ist Mittagszeit, und meine Herberge liegt genau gegenüber vom Rad. Ich kann nicht mal meine Fenster öffnen! «
    »Gestern nachmittag habt Ihr Euch darüber aber nicht beklagt! Man hat mir zugetragen, daß Ihr jeden Platz auf Eurem Balkon für zehn Livres vermietet habt.«
    » Fünf, edler Prevöt. Nur fünf. Man übertreibt immer! «
    Justinien hatte die zweite Flasche fast geleert, als der Prévôt die Herberge »Au Bien Nourri« betrat. Sein gestrenger Blick glitt von den Pistolen auf dem Tisch zu dem iberischen Rapier, das in dem Wehrgehenk aus krapprotem Leder steckte.
    »Was hat das zu bedeuten? Hatte ich dir nicht befohlen,
    dich zuerst um den Leichnam zu kümmern? Was sitzt du hier, schlemmst und spielst den Prahlhans? Bei Gott, du bist ja betrunken, du Spitzbube! «
    Justinien lachte kindlich.
    »Ah, edler Prévôt, Ihr vergeßt Euch! Man muß mich jetzt mit >Maître Pibrac< ansprechen oder aber mit >edler Scharfrichter    Dennoch erhob er sich, um sich zu erklären.
    » Ihr müßt mich verstehen, edler Prévôt, ich wollte Euch ja gehorchen. Ich bin auf das Rad gestiegen, doch als ich aus der Nähe gesehen habe, was die Raben aus dem Unglückseligen gemacht haben, hat sich mein Magen umgedreht. Ich hatte seit gestern morgen nichts mehr gegessen, also habe ich mich zunächst hierher begeben.«
    »Und diese Waffen? Woher kommen die?«
    »Der Waffenschmied Maître Favaldou hat sie mir verkauft. ich habe immer davon geträumt, Waffen zu tragen, vor allem einen Degen. Als mich also der Beisitzer davon in Kenntnis gesetzt hat, daß ich berechtigt bin, mich zu bewaffnen ... Wenn ich Zeit dazu gehabt habe, werde ich lernen, damit umzugehen, und dann Gnade dem, der meine Nase schief ansieht! «
    Soviel Treuherzigkeit entwaffnete den Prévôt. Er machte ihm ein Zeichen, sich wieder zu setzen und nahm ebenfalls Platz,
    »Oderint, dum metuant!« tönte der junge Mann und hob drohend den Zeigefinger, wie es der Sittenpräfekt am Priesterseminar getan hatte.
    Dann brach er in Gelächter aus.
    Foulques erinnerte sich daran, daß er ihn mit Leichtigkeit hatte lesen und schreiben sehen.
    »Wie kommt es, daß ein Spitzbube wie du des Lateinischen mächtig ist?«
    Soviel Vertraulichkeit mißfiel dem jungen Mann.
    »Ich bin kein Spitzbube. Meine Verurteilung zur Galeere war ein ebensolches Unrecht wie die Tatsache, daß ich Euer Henker geworden bin. Und jetzt, edler Prévôt, werde ich mich um den Toten kümmern, wie Ihr es mir befohlen hat. Zu Diensten! «
    Er erhob sich, schob die Pistolen wieder in den Gürtel, setzte den Hut auf, grüßte würdevoll und verließ die Herberge. Im Vorbeigehen stieß er mit seinem Degen die Flasche und den Becher um, die auf dem Kachelboden zersplitterten.
    » Bitte um Vergebung«, sagte er in den Raum hinein, » aber ich bin noch nicht daran gewöhnt.«
    Draußen drängten sich die Menschen. Als er hinaustrat, kam Bewegung in die Menge. Seine Miene, die sich durch das Erscheinen des Prévôt ernüchtert hatte, hellte sich wieder auf. Diese Neugierde gefiel ihm, denn er spürte, daß sie mit Furcht gemischt war.
    So gerade wie möglich ging er auf den Karren zu, der unter dem Rad stand. Es war Zeit, denn der Maulesel hatte den Strick, mit dem er an den Mast gebunden war, fast vollkommen durchgekaut. Justinien machte einen neuen Knoten und zwang sich zugleich, darüber nachzudenken, wie er alleine Galine von seinem Rad herunterholen und in den Wagen befördern sollte. Die Anstrengung erschien ihm unsäglich.
    Er legte erneut seine Waffen ab, und dann kam ihm ein Einfall, den er sicherlich nicht auszuführen gewagt hätte, wenn er nicht betrunken gewesen wäre. Er stieg auf die Leiter. Die Raben flogen voller Bedauern davon. Unter den Zuschauern machte sich Gemurmel breit. Der Prévôt und der Wirt erschienen auf der Schwelle der Herberge. Sie sahen, wie er die Leiter hinaufkletterte und schließlich den Leichnam erreichte. Doch statt ihn auf seinen Rücken zu laden und wieder herabzusteigen, beobachteten sie voller Erstaunen, wie er Galine direkt auf den Karren warf, der unterhalb des Rades stand.
    Die Folgen blieben nicht aus. Bei einem Sturz aus einer solchen Höhe zerschmetterte der

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