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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Folco
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es Glück brachte, ihn zu umrunden. Der Ursprung dieser Gewohnheit lag im tiefen Nebel der Urzeit, aber selbst die ungläubigen Postillone hätten es nie gewagt, weiterzufahren, ohne diesem Ritual ihren Tribut zu zollen.
    Als Justinien und seine Eskorte eintrafen, herrschte an der Kreuzung lebhaftes Treiben unter der Oberaufsicht von Maître Calzins, dem der Bauauftrag zugesprochen worden war, nachdem er zweihundert Livres von der Kostenaufstellung für das Schafott nachgelassen hatte. Auf einem großen Landstück vor dem Dolmen hatte ein Trupp Erdarbeiter das Gestrüpp ausgerissen und war jetzt damit beschäftigt, den Boden zu ebnen, während die Zimmerleute den Ort mit Seilen absteckten, an dem sich die Galgenbalken und die Behausung für den Scharfrichter und seine Arbeitsgeräte erheben sollten. Zur Rechten des Dolmen wurden die ausgerissenen Dornen und das Gestrüpp verbrannt. Auf der anderen Seite grasten neben zahlreichen Karren und Bretterstapeln friedlich die Maultiere.
    Als Justinien mit seiner unheimlichen Ladung ankam, wurde das friedliche Schaffen gestört. Noch schlimmer wurde es, als er geradewegs auf Maître Calzins zuging, um ihm mitzuteilen, daß er sich zum Place du Trou begeben solle, um dort das Schafott abzubauen und es hier wieder aufzustellen.
    Der Anblick der Pistolen und des Rapiers beeindruckten Calzins sehr, und so schluckte er seinen Groll hinunter und wählte sechs Männer aus, die ihn begleiten sollten.
    » Und vergeßt nicht den Mast, das Rad und die Leiter! Und kümmert Euch auch um eine große Plane, um das Schafott zu schützen, falls es regnen sollte.«
    Ohne zu antworten, ging Maître Calzins zu seinen Gefährten, die inzwischen den größten Karren angespannt hatten.
    Justinien lachte, als er sah, wie sie gewissenhaft den Dolmen umrundeten, ehe sie den Weg nach Bellerocaille einschlugen. Auch er hatte vor kurzem die Runde gemacht, und man konnte kaum behaupten, daß ihm das Glück gebracht hätte.
    Er warf einen kritischen Blick über die Kreuzung. Hierher wollte man ihn also verbannen! Abseits von der Stadt, mitten in die steinige, mit Disteln und Dornen überwucherte Ebene im Blickfeld der Burg, die sich nur eine halbe Meile entfernt in der Landschaft erhob.
     
    Da er nicht wußte, was er mit Galines Körper machen sollte, ließ er ihn einfach in dem Karren liegen und machte sich daran, das Maultier auszuspannen, das friedlich in Gesellschaft seiner Artgenossen graste. Der Offizier der Miliz kam, um sich nach dem weiteren Verlauf zu erkundigen. Justinien zuckte mit philosophischer Gelassenheit die Achseln.
    »Wir müssen warten, bis der Holzverderber mit dem Mast und dem Rad zurückkommt, da der Körper wieder auf das Rad gespannt werden muß. Vorher können wir nicht in den Ort zurückkehren.«
    Der Offizier der Miliz und seine Männer richteten sich unter der großen Steinplatte des Dolmen, der einzigen schattigen Stelle im ganzen Umkreis, ein und ertrugen ihr Los geduldig.
    Da die Wartezeit recht lang zu werden versprach, setzte sich Justinien auf einen Bretterstapel und begann, mit seinen Pistolen herumzuspielen. Er hielt es nicht länger aus und verschreckte alle Anwesenden, indem er auf die Raben zielte, die zurückgekommen waren. Er verfehlte sie. Der Offizier der Miliz kam auf ihn zu, um ihn mit aufgebrachter Stimme zurechtzuweisen.
    »Was fällt Euch ein? Wißt Ihr denn nicht, daß es verboten ist, sie zu töten?«
     
    Er spielte auf den lehnsherrlichen Erlaß an, Raben, Krähen und andere Aasvögel zu schützen, da man sie als städtische Kadaververwerter sehr nützlich fand.
    » Ich habe absichtlich daneben gezielt, Ihr könnt mir glauben, daß ich sie sonst getroffen hätte ...«, log er und hielt den Lauf unter seine Nasenlöcher aus Lindenholz, um den stechenden Geruch des Pulvers einzuatmen.
    » Es ist ebenso verboten, sie in irgendeiner Weise zu stören. Der edle Baron will nicht, daß sie in andere Gefilde ziehen.«
    Kleinlaut steckte Justinien seine Waffen ein. Der Offizier der Miliz ging zurück zum Dolmen, wo seine Männer inzwischen angefangen hatten, Karten zu spielen.
    Justinien hatte seinen Degen gezogen, dessen Klinge er jetzt von oben bis unten hin zu der feinen Spitze musterte. Der Name des Waffenschmiedes, Sebastián Hernández, war mit feinen Silberstreifen in die Klinge tauschiert. Er machte einige Schritte und ließ sie durch die Luft sausen. Der zischende Laut des Stahls begeisterte ihn. Die wenigen Fechtstunden, die er bekommen hatte, hatte

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