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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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herauszufinden, was wohl in seinem Kopf vorging. Er lächelte immer, wenn er mich dabei entdeckte. Harun wusste, dass er in der Klasse der Älteste war, und behandelte uns oft so liebevoll, als wären wir seine jüngeren Geschwister. Manchmal benahm er sich auf anrührende Weise seltsam. Einmal brachte er ganz unerwartet ein großes Bündel mit gekochten Tarowurzeln in die Schule mit und verteilte sie. Jeder bekam eine, er selbst behielt drei. Da trat er fast väterlich auf, aber in Wirklichkeit war Harun ein kleines Kind in einem erwachsenen Körper.
    *
    Der achte Junge, der Ritter mit den starken Muskeln, war Borek. Anfangs war er ein ganz normaler Schüler, sein Benehmen war völlig unauffällig. Aber dann stieß er eines Tages zufällig auf eine alte Flasche mit einem Haarwuchsöl, vermutlich aus Arabien, und das änderte sein Leben total. Auf der Flasche war ein Bild mit einem großen, kräftigen Mann in roten Shorts zu sehen, mit Muskeln aus Stahl, behaart wie ein Gorilla. Von diesem Moment an interessierte sich Borek für nichts anderes mehr als den Aufbau seiner Muskeln. Er trainierte wie verrückt und brachte es schließlich zu dem Spitznamen Samson. Für ihn war das ein Adelstitel, den er mit größtem Stolz trug. Es war zwar etwas seltsam, aber jedenfalls hatte sich Borek bereits in jungen Jahren selbst gefunden und wusste genau, was er eines Tages werden wollte, und tatsächlich versuchte er, sein Ziel ganz konsequent zu verfolgen. Unser Samson war dermaßen besessen vom Bodybuilding und vom Ideal des Machos, dass es gelegentlich schwer zu ertragen war.
    Eines Tages wurde ich das Opfer meiner Neugierde und seiner Leidenschaft. Mir war schleierhaft, woher er das geheime Wissen hatte, wie man seine Brustmuskeln vergrößerte, und so fragte ich ihn.
    »Sag es niemandem weiter!«, flüsterte er mir zu, drehte sich nach rechts und links um, als fürchtete er, jemand könnte uns hören und ihm sein Geheimnis rauben. Er packte mich an der Hand und lief mit mir hinter das Schulhaus, wo wir uns in dem ehemaligen Trafohäuschen versteckten. Er holte zwei halbe Tennisbälle aus seiner Tasche.
    »Wenn du willst, dass deine Brust so dicke Muskeln kriegt wie meine, zeige ich dir das Geheimnis!«, flüsterte er wieder, obwohl er wusste, dass niemand in der Nähe war. Wahrscheinlich enthielten die beiden halben Tennisbälle etwas Außergewöhnliches. Ich nickte.
    »Mach dein Hemd auf!«, befahl er. »Lass mich dich zu einem Mann machen, dem die Mädchen nachlaufen.«
    Sein Gesicht zeigte mir, dass er nicht verstehen konnte, warum nicht alle Jungen diese praktische Methode anwandten und den kürzesten Weg zu einem perfekten Körper wählten. Mich befielen starke Zweifel, aber ich hatte keine Wahl.
    »Schnell!«
    Und bevor ich Gelegenheit hatte nachzudenken, drückte er mir die Tennisballhälften mit aller Kraft gegen die Brust. Ich stolperte nach hinten und wäre fast hingefallen. Er bearbeitete mich, und ich konnte nicht ausweichen, weil hinter mir ein Holzstapel war. Samson war ja viel größer als ich und hatte Kräfte wie ein Kuli. Mit zusammengezogenen Augenbrauen drückte er die halben Bälle nun mit voller Kraft gegen mich. Ich versuchte, mich aufzubäumen.
    Ich begriff, dass die Tennisballhälften wie ein Pümpel arbeiten sollten, jenes Gerät, das aus einem Saugnapf aus Gummi und einem Stiel besteht und dazu dient, einen verstopften Abfluss freizusaugen. In Boreks absurder Vorstellung sollten die halben Tennisbälle meine Muskeln hervorpumpen. Mittlerweile begannen mir seine Anstrengungen und die Saugkraft der Bälle wehzutun.
    Mir war, als wenn mein ganzes Inneres – Herz, Lunge, Zwerchfell, Milz und Magen – von den beiden Tennisbällen angesaugt würde. Selbst meine Augen wollten aus den Höhlen springen. Ich saß in der Klemme, konnte kein Wort herausbringen. Ich machte ihm ein Zeichen, dass er aufhören sollte.
    »Noch nicht, du musst erst alle Namen aufzählen, dann ist die Wirkung zu sehen!«
    Das Namenaufzählen hatten wir uns ausgedacht, um damit eine bestimmte Zeitspanne festzulegen, innerhalb derer man etwas erledigen musste. Dabei waren alle Namen unserer Mitschüler und deren Eltern aufzusagen, also beispielsweise Trapani Ihsan Jamari Nursidik bin Zainuddin Ilham Jamari Nursidik oder auch Harun Ardhli Ramadhan Hasani Burhan bin Syamsul Hazana Ramadhan Hasani Burhan.
    Malaien hatten noch nie kurze Namen.
    Lange konnte ich diese Dinger aber nicht mehr ertragen. Mir ging allmählich der Atem aus. Da

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