Die Regenbogentruppe (German Edition)
hatten uns längst erkennen lassen, dass es für uns das Richtige war, hier zur Schule zu gehen. Auf jeden Fall war es besser, als in einer Koprascheune Kokosnüsse zu raspeln, Zinn zu schürfen, Rinder zu hüten, Pfefferschoten zu pflücken oder in einem stickigen Laden auszuhelfen. Wir lieferten den Beweis für die Redensart: Was dich nicht umbringt, macht dich stark.
Die wirkliche Prüfung aber lag jetzt vor uns.
Eine Vespa mit schepperndem Auspuff näherte sich unserer Schule. Da war er wieder! Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Er war ein kleiner, älterer Herr mit dicker Brille und hervortretenden Adern auf der glänzenden Stirn, die darauf hindeuteten, dass er es gewohnt war, anderen seinen Willen aufzuzwingen. Menschen zu beschimpfen war ihm so sehr zur Natur geworden, dass er nicht mehr wusste, was Freundlichkeit war. Er war berüchtigt für seine Unfähigkeit zum Kompromiss. Ein Wort von ihm – und eine Schule wurde geschlossen. Ein Fingerschnipsen – und ein Direktor war abgesetzt, ein Lehrer konnte bis in alle Ewigkeit auf Beförderung warten, und ein anderer, der ihm nicht passte, fand sich auf einer entlegenen Insel wieder, die auf keiner Karte verzeichnet war. Sämtliche Lehrer auf Belitung bekamen weiche Knie, wenn sie nur von Weitem seine Brille sahen. Er war kein anderer als Mister Samadikun, der Schulinspektor.
Wir waren schon einmal seinem Zugriff entgangen, damals, als uns Harun als zehnter Schüler gerettet hatte. Das hatte Mister Samadikun gar nicht gefallen.
Unsere Schule war ihm ein Dorn im Auge. Und das aus dem einfachen Grund, weil sie einem Beamten der staatlichen Schulverwaltung Mehrarbeit verursachte. Dieser hatte wiederholt gefordert, die Muhammadiyah müsse von der Bildfläche verschwinden, und der Schulinspektor selbst hatte seinem Vorgesetzten gegenüber damit geprahlt.
»Lasst die Muhammadiyah nur meine Sorge sein. Wenn ich einmal zutrete, fällt dort alles zusammen. Und wenn ich es nicht tue, dann macht sie der nächste Windstoß platt.«
Ich stellte mir vor, wie Mister Samadikun und die Oberen der Schulbehörde auf diese arrogante Äußerung mit Palmwein anstießen. Palmwein war das gängige Bestechungsmittel, wenn Lehrer befördert werden oder eine Strafversetzung verhindern wollten oder sich für ihre Schule den Status einer Musterschule erhofften.
Mister Samadikun hatte sich damals eine hinterhältige Taktik ausgedacht, um unsere Schule zu schließen, indem er die ebenso elegante wie diplomatische Forderung stellte, es müssten zehn neue Schüler zusammenkommen. Seine Rechnung war nicht aufgegangen, Harun hatte es vereitelt. Mister Samadikun hegte seitdem einen persönlichen Groll gegen die Muhammadiyah, zumal wir ihm auch persönlich zusätzliche Arbeit machten. Wenn Prüfungen abzuhalten waren, mussten wir nämlich die Arbeiten zur Korrektur an eine andere Schule weitergeben, weil man uns die Bewältigung dieser Aufgabe nicht zutraute. Außerdem konnten wir keinerlei besondere Leistungen vorweisen. Im Wettbewerb der Schulen untereinander waren wir nur eine Bremse. In diesem Punkt hatte Mister Samadikun recht. Aber liegt denn die Zukunft nicht in Gottes Hand?
*
Als sich Mister Samadikun näherte, wurde Bu Mus leichenblass. Denn zu allem Übel war sie gerade allein mit uns. Pak Harfan lag schon seit einem Monat krank zu Hause. Jahrzehntelang hatte er den Staub der billigen Schulkreide eingeatmet und nun war ein Lungenleiden festgestellt worden.
Mister Samadikun wollte sich unseren Klassenraum ansehen.
Vor lauter Aufregung beging Bu Mus gleich zu Beginn einen fatalen Fehler, indem sie sagte: »Bitte schön, Pak Samadikun, treten Sie ein!«
Mister Samadikun zog die Augenbrauen hoch: »Nenn mich gefälligst Mister!«
Es war allgemein bekannt, dass er sich nicht mit Pak anreden lassen wollte. Eine Marotte, die vielleicht auf seine eigene Schulzeit unter den Holländern zurückging, vor allem aber mit seiner Eitelkeit zu tun hatte.
Beim Anblick unseres leeren Glasschranks schüttelte er verächtlich den Kopf. Anderswo standen darin Pokale und bezeugten den Ruhm der Schule.
Mister Samadikun holte ein Formular aus der Tasche. Wiederholt verzog er den Mund und schüttelte den Kopf angesichts dessen, was er bei uns vorfand. In der Rubrik »Tafel und Mobiliar« musste er eine Extraspalte eintragen, weil der Wert E für miserabel nicht ausreichte. Er schrieb F für äußerst miserabel. In der Rubrik »Staatssymbole und Ausstattung«, wo die Porträts des Präsidenten und
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