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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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seines Stellvertreters aufzuführen waren, der Adler mit den Insignien der Pancasila, die Notapotheke und Trophäen von Sportwettbewerben, war Mister Samadikun ebenfalls gezwungen, unter der Spalte E für schlecht eine weitere für F gleich nicht vorhanden einzusetzen.
    In der Rubrik »Toiletten und Beleuchtung« trug er ein F ein für Natur. Als die Rubrik »Erscheinungsbild der Schüler« an die Reihe kam, fand Mister Samadikun keine Worte. Die meisten von uns waren barfuß, trugen abgerissene Sachen, überall fehlten Knöpfe. Ausgerechnet an dem Tag fehlten bei Mahar sogar sämtliche Knöpfe. Mit Entsetzen stellte er fest, dass Lintang und ich jeder eine Zwille um den Hals trugen, und registrierte voller Abscheu die Obstflecken auf Kucais Hemd. In der entsprechenden Spalte ging er über F für äußerst schlecht hinaus und schrieb »erbärmlich«.
    Mister Samadikun fragte: »Wer von euch besitzt einen Taschenrechner, wer einen Zirkel und wer einen Drehbleistift?«
    Keiner meldete sich. Mahar sah mich an und zog die Augenbrauen hoch. Wir waren nun schon in der fünften Klasse, aber niemand von uns hatte eine Ahnung, was für Dinge das überhaupt waren.
    »Bu Mus! Ich habe noch nie eine so heruntergekommene Klasse gesehen. Nennst du das vielleicht Schule? Das ist ein Schafstall!«
    Bu Mus hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und schwieg.
    »Deine Schüler sehen aus, als wollten sie Zwerghirsche jagen!«
    Bu Mus nahm diese Beleidigung hin, aber man sah ihr an, dass sie sich dadurch nicht beeindrucken ließ.
    »Hier gibt es nur eins, diese Schule muss geschlossen werden.«
    Bu Mus zuckte zusammen. Sie konnte Beleidigungen hinnehmen, aber die Forderung, die Schule aufzulösen, war unerträglich.
    »Das ist unmöglich, Mister, ich unterrichte hier schon seit fünf Jahren.«
    Das war kühn. Noch nie hatte ein Lehrer Mister Samadikun widersprochen.
    »Was soll denn aus diesen Dorfkindern werden?«
    Mister Samadikun entgegnete wütend: »Das ist eure Sache, nicht meine! Schick sie in eine andere Schule!«
    »In eine andere Schule? Die nächste staatliche Schule ist in Tanjung Pandan. Die Kinder hier sind viel zu klein, als dass sie von ihren Eltern getrennt werden könnten. Sie haben kein Geld, um dorthin zu gehen. Und die Schule unserer Bergwerksgesellschaft denkt doch nicht daran, solche armen Kinder aufzunehmen.«
    Mister Samadikun war aufgebracht. Sein Atem ging schwer. Er war drauf und dran zu explodieren und Bu Mus wegen ihrer dreisten Rede zu beschimpfen. Bu Mus hingegen war zu allem bereit, um ihre Schüler zu verteidigen. Wir wollten Bu Mus beistehen, trauten uns aber nicht. Nur Harun lächelte. Er hatte gar nicht mitbekommen, was eigentlich geschah.
    »Wir haben damals die geforderten zehn Schüler zusammengebracht, und wenn es jetzt nur um die Notapotheke geht, da können …«
    »Darum geht es gar nicht!«, unterbrach sie Mister Samadikun. »Es geht um Harun!«
    Das traf Bu Mus persönlich, sie lief rot an. Wenn es um Harun ging, war sie äußerst empfindlich. Für ihn hätte sie alles getan. Harun hingegen strahlte, weil sein Name gefallen war.
    »Was ist denn mit Harun?«
    »Der darf überhaupt nicht in diese Schule gehen, der ist hier fehl am Platz. Er muss in die Sonderschule! Nach Bangka!«
    Bu Mus bemühte sich, nicht die Fassung zu verlieren. Wir wussten, wie sehr sie Harun ins Herz geschlossen hatte, doch wenn Mister Samadikun etwas entschieden hatte, dann war der Fall für ihn erledigt. Er war mächtig und Bu Mus nur eine Dorfschullehrerin. In einem so ungleichen Kampf würden wir selbstverständlich den Kürzeren ziehen.
    Bu Mus verlegte sich aufs Bitten: »Mister«, lenkte sie ein, »unsere Schule ist für Harun das Beste. Er ist wirklich fleißig und das Lernen macht ihm im Kreis seiner Mitschüler großen Spaß. Lassen Sie ihn hier, schicken Sie ihn nicht fort.«
    Mister Samadikun wurde auf einmal ganz ruhig. »Lernen? Lernen, sagst du? Er bekommt ja überhaupt kein Zeugnis, was hat er denn bitte gelernt!«
    Tatsächlich genoss Harun eine Sonderbehandlung. Wenn wir versetzt wurden, kam er einfach mit, auch ohne Zeugnis.
    Bu Mus wollte sagen, dass sich Harun im Laufe der Zeit hervorragend entwickelt hatte und dass er mit uns glücklich war. Sie verstand nichts von Psychologie, trotzdem war sie davon überzeugt, dass für ein behindertes Kind der Umgang mit nicht behinderten Gleichaltrigen wichtig war. Doch sie schwieg.
    Mister Samadikun rief Harun zu sich. Der beeilte sich aufzustehen und

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