Die Regenbogentruppe (German Edition)
Dieser seltsame Kerl war Harun. Uns war nicht klar, welchen Beruf er verkörpern wollte.
So war das jedes Jahr. Wir stellten keine Wunschträume dar. Vielleicht wagten wir gar nicht, von etwas zu träumen. Alle Schüler waren gehalten, sich nach den Berufen ihrer Eltern anzuziehen, weil niemand das Geld hatte, sich extra für den Karnevalszug ein Kostüm zu machen oder auszuleihen. Und so war auch Mahar anständig gekleidet wie Harun und schwenkte einen Rentnerausweis, weil sein verstorbener Vater Rentner gewesen war. Sahara blieb zu Hause, weil ihr Vater gerade seine Arbeit verloren hatte.
Diese Erfahrungen riefen jedes Mal vor dem Karneval lebhafte Diskussionen unter uns hervor. Trapani, Sahara ud Kucai vertraten die Meinung, es wäre besser, überhaupt nicht teilzunehmen, als so schäbig aufzutreten und sich zum Gespött der Leute zu machen. Bu Mus und Pak Harfan allerdings waren anderer Meinung.
»Der Karnevalszug ist die einzige Gelegenheit, bei der wir der Welt zeigen können, dass unsere Schule noch existiert. Unsere Schule ist eine islamische Schule, die die religiösen Wertvorstellungen hochhält, darauf müssen wir stolz sein!«, sagte Pak Harfan.
»Wir müssen am Karneval teilnehmen! Und wenn es uns gelingt, Eindruck zu machen, wer weiß, ob dann nicht Mister Samadikun bereit ist, noch einmal darüber nachzudenken, unsere Schule bestehen zu lassen. Geben wir dieses Jahr Mahar die Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu zeigen. Ihr wisst, dass er ein hochbegabter Künstler ist!«
Pak Harfan konnte tatsächlich stolz auf Mahar sein. Vor Kurzem hatte Mahar nämlich dessen Ansehen im Dorf gestärkt. Bei einer Fernsehübertragung war die Dorfhalle völlig überfüllt gewesen. Um zusätzlichen Zuschauern die Möglichkeit zur Teilnahme an der Sendung zu verschaffen, hatte Mahar die Idee gehabt, zwei Spiegelschränke so zu platzieren, dass das Geschehen auf dem Bildschirm darüber reflektiert und für die Außenstehenden sichtbar wurde.
Jedenfalls applaudierten wir begeistert und wollten Mahar zujubeln, aber er war verschwunden. Als wir ihn fanden, hockte er auf einem Ast des Filicium und lächelte verheißungsvoll.
Mahar ernannte spontan A Kiong zu seinem Assistenten für alle kommenden Aktivitäten. A Kiong erzählte mir später, er habe vor Stolz über die Ernennung drei Nächte lang nicht schlafen können. Auch Mahar meditierte drei Nächte lang und suchte nach Inspiration. Man durfte ihn nicht stören.
Nachmittags saß er allein auf dem Feld hinter der Schule, trommelte auf seiner Tabla und suchte nach einer passenden Musik. Man durfte ihm nicht zu nahe kommen. Er saß traumverloren da, schaute zum Himmel auf, erhob sich plötzlich und hüpfte herum, sprang, lief im Kreis, schrie wie ein Verrückter, warf sich hin, kugelte sich auf der Erde und setzte sich wieder, ließ plötzlich den Kopf nach vorne sinken wie ein krankes Tier.
War er dabei, ein Meisterwerk zu entwerfen? Ob es ihm gelingen würde, unsere Schule nach Jahren der Schmach zu rehabilitieren? Ich beobachtete ihn aus der Ferne. Er machte ein finsteres Gesicht. Eine Woche war schon vergangen, aber er war noch mit keiner Idee herausgerückt.
Dann endlich, eines schönen Samstagmorgens, kam er pfeifend in die Schule. Er hatte also eine Erleuchtung gehabt. Er würde uns eine großartige Idee vorstellen. Wir umringten ihn. Er sah uns an, jeden Einzelnen von uns, als wollte er einer Schar neugieriger Kinder einen Zaubertrick vorführen.
»Dieses Jahr wird es keine Fischer, keine Zinnarbeiter oder Schleusenwärter mehr geben!«, verkündete er klar und deutlich. Wir stutzten.
»Wir werden die ganze Kraft der Muhammadiyah auf eine einzige Sache konzentrieren!«
Wir wussten nicht, worauf er hinauswollte.
»Wir werden den Stamm der Massai in Afrika darstellen, und zwar in einem Tanz!«
Wir waren völlig verblüfft und begriffen nicht gleich, was ihm vorschwebte.
»Fünfzig Mitwirkende! Dreißig Tabla-Spieler! Wir werden uns drehen wie Kreisel und die Tribüne zum Einsturz bringen!«
Oh Gott, mir wurde schwindlig. Einen Moment später begannen wir unvermittelt vor Freude herumzuspringen, wie Besessene, klatschten in die Hände, jubelten bei dem Gedanken an unseren sensationellen Auftritt.
»Mit Fransen überall!«, kam eine laute Stimme von hinten.
»Mit Federbüschen!«, ergänzte Bu Mus. Wir lachten.
Mahar hatte uns wirklich überrascht. Seine Fantasie schlug Kapriolen. Was für eine geniale Idee, als afrikanischer Stamm aufzutreten, dessen
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