Die Regenbogentruppe (German Edition)
heißen Asphalt geworfen hatte. Alles das stand nicht in der Choreografie. Die Tabla-Spieler waren begeistert. Sie beschleunigten ihr Tempo, um mit unseren wilden Bewegungen mithalten zu können. Wir tanzten mit doppelter Kraft und waren doppelt so schnell wie bei den Proben. Es wirkte, als wollten wir das Tempo der Tabla-Schläge übertreffen. Wir müssen einen einzigartigen Anblick geboten haben. Die Zuschauer glaubten, die Tablas hätten uns, die acht Rinder, mit ihren rasenden Rhythmen in eine Art magische Trance versetzt, und spendeten frenetischen Beifall.
Als die Geparde kamen und uns angreifen wollten, gingen wir, völlig besessen vom Juckreiz, selbst zum Angriff über. Die Geparde wussten nicht, wie sie reagieren sollten, und ergriffen die Flucht. Eigentlich hätten wir vor Angst brüllen sollen, bis die tapferen Massai-Krieger kämen, um uns zu retten. Aber wir konnten nicht warten, sonst wären uns vor Jucken noch die Adern geplatzt.
Die Geparde griffen erneut an, und wir schlugen zurück, immer und immer wieder. Diese notgedrungene Abweichung vom einstudierten Muster brachte überraschenderweise das wahre Wesen der Tiere zum Ausdruck, die einmal wild und angriffslustig waren und dann wieder zurückwichen, wenn die Gegner stärker schienen. Ich sah zu Mahar hinüber. Er freute sich über unsere spontane Improvisation und schlug immer stärker auf seine Tabla. Sein Lächeln wurde immer breiter. Ich hatte ihn noch nie zuvor so vergnügt gesehen.
Unsere Bewegungen wurden immer verrückter und das Geschehen in der Arena immer hitziger, als die zwanzig Massai-Krieger kamen, um uns zu schützen. Nun entbrannte ein furchtbarer Kampf zwischen den Rindern und den Massai-Kriegern auf der einen Seite und den zwanzig Geparden auf der anderen Seite. Der feine Sand, der sich über die Arena gelegt hatte, stieg als dicke Staubwolke auf und wirbelte um uns herum. Mitten in dem Chaos waren hysterische Schreie zu hören, das Gebrüll von Tieren und die harten Tabla-Schläge. Das war adzohu , die Manifestation des nackten Kampfes ums Überleben, dargestellt durch das Medium des Tanzes. Die Zuschauer waren außer sich vor Bewunderung. Den Fotografen gingen die Filme aus.
Nach der Vorstellung stürzten wir Hals über Kopf davon, um an Wasser zu kommen. Die nächste Gelegenheit war ein trüber Tümpel hinter einem Gemischtwarenladen, dessen Besitzer die verdorbenen Fische, die niemand mehr kaufen wollte, dort entsorgte. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns in diese Soße hineinzustürzen.
Wir bekamen gar nicht mehr mit, dass die Zuschauer uns minutenlang stehend applaudierten. Auch nicht, wie unsere Lehrer vor Stolz weinten. Wir waren nicht dabei, als der Vorsitzende der Jury, Mbah Suro, zum Rednerpult ging und eine lange Lobesrede auf uns hielt, und wir wussten nicht, dass Mahar in diesem Moment die begehrte Trophäe für den besten künstlerischen Auftritt entgegennahm. Zum ersten Mal hatte eine Dorfschule diese Trophäe errungen.
Wir wälzten uns währenddessen im Schlamm und rieben uns den Hals mit Blättern des Wassermohns ein. Aber wir konnten uns Mahars triumphierendes Lachen vorstellen. Nach Jahren, in denen uns niemand ernst genommen hatte, war durch seine grandiose Schöpfung nicht nur unsere Schule, sondern auch er selbst rehabilitiert. Mahar war wirklich genial. Für ihn waren Sieg und Vergeltung süß, so süß wie eine reife Sternfrucht.
20 Nach langen glücklosen Jahren hatte die Muhammadiyah an diesem besonderen Montagmorgen zum ersten Mal einen Grund, sich zu freuen. Es war ein denkwürdiger Tag.
Wir hielten eine kleine Feier vor unserem Glasschrank ab, der in unser Lachen einzustimmen schien, denn zum ersten Mal sollte er etwas aufnehmen, das seiner Bestimmung gerecht wurde: einen Pokal.
Am Vortag hatte der Vorsitzende der Jury Mahar die Trophäe überreicht und damit ihrem vierzigjährigen Aufenthalt in der berühmten Schule der Bergbaugesellschaft ein Ende bereitet.
Umgekehrt hatte die Dorfschule Muhammadiyah nach fast hundert Jahren ihrer ärmlichen Existenz, als älteste Schule von Belitung, vielleicht sogar ganz Sumatras, zum ersten Mal einen Preis errungen. Pak Harfan erwies seinem Schüler, der dieses historische Ereignis möglich gemacht hatte, die Ehre, den Pokal in die Vitrine zu stellen.
Die Trophäe hatte uns gezeigt, wer Mahar wirklich war. Er verdiente zu Recht unseren Respekt. Unsere Einschätzung ihm gegenüber hatte sich total gewandelt. Es spielte nun keine Rolle
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