Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
Vom Netzwerk:
Krieger spärlich bekleidet waren. Je nackter der Stamm sich zeigte, desto geringer wären die Kosten dafür. Mahars Plan war nicht nur künstlerisch originell, er löste auch unser finanzielles Dilemma.
    *
    Von da an trafen wir uns jeden Nachmittag unter dem Filicium und arbeiteten hart an den Proben zu den fremdartigen Tänzen aus einem fernen Land. Mahars Vorstellung verlangte schnelle und kraftvolle Bewegungen. Wir mussten mit den Füßen auf den Boden stampfen und die Arme zum Himmel recken. Wir mussten uns alle im Kreis drehen und dann blitzschnell ducken, dann wieder umdrehen und rückwärtsspringen. Wir mussten in alle Richtungen auseinanderstieben, um gleich darauf wieder zur gleichen Formation zusammenzufinden. Da gab es keine ruhige oder weiche Bewegung, es musste schnell, wild und leidenschaftlich sein. Das alles wurde von Tabla-Spielern begleitet, die mit ihren unaufhörlichen Rhythmen den Himmel durchdrangen. Wir sollten beim Tanzen Worte rufen, deren Sinn wir nicht verstanden, etwas wie: »Habuna! Habuna! Habuna! Baraba, baraba, baraba, habba, habba, homm!«
    Als wir Mahar nach der Bedeutung der Worte fragten, antwortete er mit der Geste eines Gelehrten, dessen Wissen sich auch auf andere Kontinente erstreckt, das sei ein afrikanisches Gedicht. Was die Bedeutung des Tanzes angeht, so hatte ich zuerst gedacht, wir sollten Massai darstellen, die sich freuten, weil ihre Rinder gekalbt hatten. Aber in Wirklichkeit sollten wir selber die Rinder sein. Unser ausgelassener Tanz sollte durch den Angriff von zwanzig Geparden ein Ende finden. Sie umkreisten uns, störten die Harmonie unserer Formation, versetzten uns in Angst und Schrecken, sprangen uns an und brüllten aus vollem Hals. Und in diesem Moment traten die berühmten Krieger der Massai auf den Plan. Sie vertrieben die Geparden, die uns angegriffen hatten, und retteten uns so. Der Angriff der Geparden war von Mahar sehr realistisch choreografiert. Die Tänzer wirkten wirklich wie Tiere, die drei Tage lang nichts zu fressen gehabt hatten.
    Mahar hatte ein mitreißendes Tanztheater geschaffen, es war sein Meisterstück.
    Ich war glücklich. Ich ging vollkommen auf in unserem gemeinsamen Kunstwerk. Und ich freute mich auf die Vorführung, Seite an Seite mit meinen besten Freunden – vielleicht war ja sogar meine große Liebe unter den Zuschauern.

 
     
     
    19  Schließlich kam der Tag, an dem der Karnevalsumzug stattfinden sollte. Ein Tag der rasenden Herzen. Mahar hatte die Anzüge für die Geparden aus einer Art Segeltuch machen lassen, das gelblich gefärbt und mit schwarzen Tupfen versehen worden war, sodass die jüngeren Schüler wirklich einem solchen Raubtier ähnlich sahen. Sie waren alle als Raubkatzen geschminkt und ihre Haare hatten sie sich leuchtend gelb gefärbt.
    Die Tabla-Spieler hatten sich den ganzen Körper mit glänzender schwarzer Farbe bemalt und das Gesicht weiß geschminkt, sie sahen furchterregend fremd aus. Die Massai-Krieger waren am ganzen Körper rot, trugen weite rote burnusartige Umhänge, einen Kopfputz aus geflochtenem Lalang-Gras und schwangen lange Speere. Sie blickten stolz um sich und sahen sehr gefährlich aus.
    Ganz besondere Mühe hatte sich Mahar mit uns acht Rindern gegeben. Unsere Verkleidung war am kunstvollsten: Wir trugen knielange dunkelrote Hosen, hatten uns den ganzen Oberkörper in der Farbe afrikanischer Rinder hellbraun angemalt, bis auf die Gesichter, die wir bunt schminkten. Wir trugen Fußreifen mit Fransen und kleinen Schellen, die beim Laufen einen hellen Klang von sich gaben, und um die Hüften eine Schärpe aus Hühnerfedern. Als Schmuck gab es große Ringe an den Ohren und Armreifen, die aus Wurzeln geflochten waren.
    Und dann noch unsere Kronen. Sie waren ziemlich groß, aus einem langen, mehrfach verschlungenen Tuch gemacht, in das verschiedene Gegenstände eingeflochten oder angeheftet worden waren: Gänse- und Entenfedern, lange Zweige von Sträuchern, Ruten, verschiedene Blätter und kleine Wimpel. Sahara hatte vier Tage lang an diesen Kronen gearbeitet. Auf den Rücken hatten wir uns eine Art Pferdemähne aus Raphia-Fasern geklebt. Wir waren prächtige, stolze Rinder.
    Das harmloseste Accessoire schienen die Halsketten zu sein. Sie bestanden aus Früchten der Zuckerpalme, die noch grün waren, etwa die Größe von Pingpongbällen hatten und auf einen Rattanfaden aufgezogen waren. Niemand hätte je geahnt, dass Mahar ausgerechnet in den Gliedern dieser Kette das Geheimnis unseres

Weitere Kostenlose Bücher