Die Regenbogentruppe (German Edition)
Auftritts verborgen hielt. Mahar hatte sich größte Mühe gegeben und sie alle allein angefertigt. Wir stritten uns darum, denn jeder wollte die schönste haben. Bevor die Parade begann, stellten wir uns im Kreis auf, fassten uns an den Händen und beteten.
Wie erhofft, begrüßten uns die Zuschauer auf der ganzen Strecke mit großer Begeisterung. Sie klatschten Beifall und rannten hinter uns her, um zu sehen, wie wir an der Ehrentribüne vorbeiziehen würden.
Von der Tribüne her hörten wir die schweren Schläge von Pauken und Marschtrommeln und darüber den gewaltigen Chor der Bläser: Tuben, Hörner, Posaunen, Klarinetten, Trompeten und Saxofone. Das war die Marching Band der Schule der Bergbaugesellschaft.
Als Glanzstück ihres Auftritts vor der Tribüne spielten sie das »Konzert für Trompete und Orchester« von Johann Nepomuk Hummel, kühn umarrangiert für eine Big Band. Das Publikum war begeistert und wiegte sich noch im Rhythmus der Schlagzeuger, da übernahmen die Fahnenschwinger in prächtigen Kostümen das Terrain, formierten sich und boten einen eindrucksvollen Beweis ihres Könnens. Tausende von Zuschauern spendeten voller Bewunderung Beifall. Dann brachen sie jedoch in Jubelrufe aus, als drei Majoretten – wahre Herzensbrecherinnen – vorbeidefilierten und mit unwiderstehlichem Lächeln ihre Bâtons herumwirbelten. Die Mädchen in ihren Miniröcken, schwarzen Strümpfen, kniehohen Cortez-Stiefeln und weißen Handschuhen bis zum Ellenbogen waren einfach umwerfend.
Doch wir ließen uns nicht entmutigen. Voller Zuversicht nahmen wir unsere Positionen ein. Jetzt waren wir an der Reihe.
Kaum hatte die Marching Band unter Applaus und begeisterten Pfiffen des Publikums das Gelände vor der Tribüne verlassen, nahm Mahar mit seinen Tabla-Spielern den Platz ein. Sie schlugen ihre Tablas mit aller Macht und tanzten dazu wie eine Affenherde, die sich um Mangos balgt. Mahar entführte das Publikum schlagartig in die Wildnis Afrikas. Von den durchdringenden Tabla-Schlägen und den seltsamen dynamischen Bewegungen der Tänzer überrascht, sprangen die Zuschauer von ihren Sitzen.
Ganz unwillkürlich fingen sie an, sich zu dem Rhythmus zu bewegen, und begrüßten den Auftritt der Tabla-Spieler spontan mit Applaus, begeisterten Pfiffen und Hurrarufen. Der gelungene Auftakt hob unser Selbstbewusstsein in ungeahnte Höhen. Wir, die acht Rinder, waren als Nächste an der Reihe und warteten mit klopfenden Herzen auf Mahars Kommando, um uns in die Arena zu stürzen. Unsere Füße juckten schon vor Ungeduld, die großartige Show vorzuführen.
Während der letzten angespannten Minuten vor unserem Aufritt fühlte ich eine merkwürdige Hitze in Brust und Nacken, meine Ohren glühten, und bald wurde daraus ein Jucken. Ich sah mich um, und wie es schien, litten meine Freunde unter den gleichen Symptomen. Uns dämmerte, dass wir auf den Saft der Palmfrüchte reagierten, aus denen unsere Ketten bestanden. Das Jucken verschlimmerte sich, aber wir konnten nichts dagegen tun. Um die Halsketten loszuwerden, hätten wir unsere Kronen absetzen müssen, von denen jede eineinhalb Kilo wog. Mahar hatte sie ganz bewusst so entworfen, dass sie mit Bändern befestigt waren, die dreimal um den Kopf gewickelt wurden und damit praktisch ohne fremde Hilfe nicht abgenommen werden konnten. Es wäre unmöglich gewesen, das jetzt noch zu versuchen, zumal Mahar uns in diesem Moment das Zeichen zum Auftritt gab.
Was nun geschah, werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Wir stürmten mit dem Kampfgeist von Spartanern in die Arena. Bei den Zuschauern erhob sich tosender Beifall. Anfangs tanzten wir getreu unserer lang geprobten Choreografie. Doch bald begannen wir, uns seltsam zu bewegen und von den einstudierten Bewegungen abzuweichen, weil das Jucken kaum noch zu ertragen war und stetig zunahm.
Da unsere Bewegungen heftig waren und wir dabei die Arme hin- und herschwangen, hatte sich der Saft der Palmfrüchte über den ganzen Körper verteilt. Wir bemühten uns, nicht zu kratzen, weil wir sonst die Choreografie gestört hätten. Wild entschlossen, die Marching Band zu besiegen, nahmen wir die Qual auf uns. Doch der einzige Weg, die Folter zu ertragen, war, wild umherzuspringen, sich zu gebärden wie von allen guten Geistern verlassen. Wir schrien, fauchten, fielen uns gegenseitig an, packten uns, kratzten uns, robbten am Boden entlang, überschlugen und krümmten uns. Wir wälzten uns wild herum wie ein Haufen Würmer, die man auf den
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