Die Regenbogentruppe (German Edition)
außergewöhnliche Liebe gewacht.
Ich nahm die Sachen an mich, und in diesem Moment war mir, als stürzten sämtliche Waren, die im Laden aufgestapelt waren, auf mich herab und begrüben mich unter sich. Ich wollte etwas sagen, wollte eine Menge fragen, aber die Stimme versagte mir.
Meine Brust war wie zugeschnürt. Als ich mich umschaute, kam mir plötzlich ein Gedanke. Ich griff nach Syahdans Hand und zog ihn mit mir fort.
*
Wir stiegen aufs Fahrrad, und ich trat, so schnell ich konnte, in die Pedale. Vom Laden Sinar Harapan bis zur Schule waren es gute zwei Dutzend Kilometer. Es gab mehrere Steigungen, aber ich fuhr ohne Pause durch. Ich durfte nicht schwach werden, denn ich musste rechtzeitig den Schulhof erreichen.
Acht Uhr fünfzig.
Wir kamen an der Schule an. Syahdan verschwand sofort in der Klasse. Ich lief zum Filicium und kletterte auf den Ast, von dem aus ich normalerweise die Regenbogen betrachtete.
Ich suchte den Himmel ab. Er war blau und leer – so leer wie mein Gemüt. Fünf Minuten nach neun. Ganz langsam erschien in weiter Ferne eine Fokker F-28 am Horizont. Es war der Flug von Tanjung Pandan nach Jakarta. In dem Flugzeug saß A Ling. Ich ließ die Maschine, die meine Liebe entführte, nicht aus den Augen. Je länger ich hinsah, desto undeutlicher wurde das Flugzeug, nicht weil es sich schon so weit entfernt hatte, sondern weil mir die Tränen kamen. Schließlich war es verschwunden.
Meine Seelenverwandte war mir entrissen worden, der Himmel war wieder leer. Leb wohl, meine erste Liebe!
26 Ich träumte, dass eine Atombombe mysteriöser Herkunft auf Belitung explodiert sei. Der radioaktive Fallout, Quecksilber und Ammoniak aus dem riesigen Atompilz, senkte sich über das Land. Alle Menschen suchten in Panik nach Schutz, krochen in Wasserrohre oder stürzten sich in Kanäle. Der größte Teil kam um, und die Geretteten verwandelten sich in Zwerge, die einen schrecklichen Gestank verströmten.
Als die Zentralregierung in Jakarta die Zwerge aus Belitung sah, schämte sie sich vor der internationalen Welt und lehnte es ab, sie als Landsleute anzuerkennen. So waren wir gezwungen, ein Referendum abzuhalten.
Obwohl nur eine Minderheit unter den Malaien dafür stimmte, sich von der Einheitsrepublik Indonesiens zu trennen, betrachtete die Regierung dieses Votum als Akklamation und entließ Belitung in die Unabhängigkeit. Es war allerdings klar, dass Belitung auf sich allein gestellt nicht lebensfähig war, da sämtliche natürlichen Ressourcen in den vergangenen Jahrhunderten aufgebraucht worden waren. Die Insel musste zugrunde gehen.
Da tauchte Bodenga, der Krokodilmann, der lange verschwunden gewesen war, wieder auf und übernahm die Regierung. Er ließ alle diejenigen, die ihn und seinen Vater ungerecht behandelt hatten, festnehmen und zur Mündung des Mirang bringen, wo sie den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen wurden. So gingen die Zwerge zugrunde. Ihre Überreste wurden wie vergiftete Fische ins Meer geschwemmt.
*
Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich hatte Albträume und wurde von abwegigen Fantasien geplagt. Der Gesang eines Vogels kam mir vor wie der Ruf eines mystischen Todesboten. Ich glaubte, alle Leute, die Ladenbesitzer, der Postbeamte, der Mann, der das Kokosfleisch raspelte, die Polizisten der Stadtverwaltung, selbst die Lastenträger, hätten sich gegen mich verschworen.
A Ling hatte eine tiefe Traurigkeit in meinem Gemüt zurückgelassen. Ich hatte die Zwangsvorstellung, ich müsste den Gemischtwarenladen Sinar Harapan stürmen, aber ich wusste, dass so ein dramatischer Schritt, wie ihn indische Filme lieben, absolut nutzlos war, denn dort würden mich nur die ewigen Tauco-Flaschen und stinkende Garnelenpaste erwarten. Mir war elend, schrecklich elend.
Die Trennung machte mich krank. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich unseren Nachbarn Bang Jumari ausgelacht, als er schrecklichen Durchfall bekam und am helllichten Tag anfing zu zittern, nur weil seine Liebe zu Kak Shita, meiner Cousine, in die Brüche gegangen war. Damals hatte ich nicht begreifen können, wie so etwas Verrücktes passieren konnte. Und jetzt erfuhr ich dasselbe am eigenen Leib. Zwei Tage schon war ich nicht in die Schule gegangen, hatte hohes Fieber. Ich wollte nur im Bett liegen. Ich hatte Kopfschmerzen, einen schnellen Puls. Meine Mutter gab mir Askomin-Sirup, der nicht half. Mit einem Wurmmittel war Liebeskummer nicht zu heilen.
Dann kam Mahar mit seinem treuen Gefolgsmann A Kiong.
Weitere Kostenlose Bücher