Die Regenbogentruppe (German Edition)
von den Yellowstone-Indianern. Die Bücher gehörten ehemaligen Schülern der Schule der Bergbaugesellschaft, doch weil die mittlerweile wieder nach Java oder anderswohin zurückgekehrt waren, galten sie als unzustellbar und lagen in der Post herum.
Während der Schulferien halfen wir tagsüber in der Post aus, nachts schliefen wir in der Al-Hikma-Moschee. Dort erzählten wir uns alle möglichen Geschichten. Wir konnten nicht aufhören, uns über Tuk Bayan Tulas Botschaft zu unterhalten, die sich bei der Suche nach Flo als wahr erwiesen hatte. Damals hatte Mahar zum ersten Mal die Geste vollführt, mit der er uns seitdem, immer wenn er meinte, recht zu haben, auf die Nerven ging. Er zog gleichzeitig Augenbrauen und Schultern hoch und nickte dazu wie ein Pinguin nach der Begattung. Das konnte ich nicht ausstehen.
Eines Tages, als ich dem Postbeamten beim Sortieren der Briefe half, fand ich unerwartet einen Brief, auf dem mein Name stand: Ikal.
Ich zog mich mit Herzklopfen hinter das Postamt zurück, setzte mich unter einen Baum und öffnete den Brief. Er enthielt nichts als ein Gedicht:
Sehnsucht
Die Liebe gewährt mir keine Ruh
Seit dem Augenblick, da du mich ansahst
Neulich beim Chiong Si Ku
Keinen Schlaf konnte ich finden in dieser Nacht
Denn dein Gesicht
Wollte nicht aus meinem Zimmer weichen
Wer bist du
Der mich die ganze Zeit zum Träumen bringt?
Du bist nichts als ein junger Störenfried
Doch nach dir nur
Sehne ich mich
Njoo Xian Ling (A Ling)
Wie vom Blitz getroffen, starrte ich auf den Brief. Meine Hände zitterten. Ich las das Gedicht noch einmal, und insgeheim beschlich mich eine dunkle Vorahnung. Ich war glücklich, doch gleichzeitig von einer dunklen Traurigkeit erfasst, so als würde mich bald etwas Schlimmes treffen. Ich drehte mich um und sah, wie der Zaun vor der Post sich langsam in zwei menschliche Füße verwandelte. Zwischen den dicht beieinanderstehenden Füßen war ein Mann zu sehen, der vor dem verstümmelten Kadaver eines Krokodils kniete. Er drehte sich nach mir um. Tränen flossen ihm über die zerfurchten, narbenbedeckten Wangen.
In dem Moment begriff ich die Trauer, die Bodenga überkommen hatte, als ich ihn als kleiner Junge auf dem Basketballplatz der Nationalschule erlebt hatte. Sein Bild hatte sich mir fest eingeprägt. Der Eindruck wurde jedes Mal in mir wach, wenn ich eine Vorahnung von etwas Unangenehmem hatte. An jenem Nachmittag aber besuchte mich Bodenga zum ersten Mal.
24 Der Selumar ist nicht allzu hoch, aber sein Gipfel bildet den höchsten Punkt im Osten von Belitung. Wenn man von Norden her zu uns will, muss man an der linken Flanke des Berges vorbei. Von Weitem sieht der Selumar aus wie ein umgestürzter Kahn, massig, blau, in leichten Dunst gehüllt. Wenn man dem Auf und Ab seiner linken Flanke folgt, kommt man an den Häuserreihen von Selinsing und Selumar vorbei. Die beiden Dörfer sind durch ein tiefes Tal getrennt, in dessen Kessel friedlich und still der Merantiksee liegt.
Als Radfahrer braucht man auf dieser Strecke eine gute Kondition, vor dem Dorf Selinsing gibt es nämlich einen kurzen, steilen Anstieg. Die jungen Männer, die vor ihren Liebsten angeben wollen, lassen ihre Mädchen auf keinen Fall absteigen. Sie nehmen ihre ganze Kraft zusammen und fahren schlingernd vor Anstrengung nach oben.
Wenn sie die Steigung von Selinsing bewältigt haben, geht es wieder nach unten. Dann lächelt der junge Mann stolz, und seine Liebste muss bei der Abfahrt ihre Arme fest um ihn legen. Das alles zum Zeichen, dass er sie später als Ehemann nicht enttäuschen wird.
Dann geht es zweimal um eine gefährliche Kurve, am Merantiksee entlang und schließlich wieder einen Anstieg zum Dorf Selumar hinauf. Die Mädchen wissen dann schon, dass sie absteigen müssen, denn dieser Anstieg ist zwar nicht so steil wie der nach Selinsing, dafür aber sehr viel länger. Er eignet sich weniger dazu, seine Liebe zu beweisen.
Wenn man aber auf der Höhe angekommen ist, wird man für die Mühe belohnt. Vor einem liegt Ostbelitung in all seiner Schönheit, eingerahmt von der langen blauen Küste, behütet von duftigen weißen Wolken und akkurat umsäumt von einer Reihe dunkler Pinien.
Von der Höhe des Bergrückens sind die verstreut liegenden Häuser der Dörfler zu sehen, die den Nebenflüssen des Langkang in ihren Windungen folgen. Die Häusergruppen sind hier nicht mehr von Bambushecken umgeben, sondern durch Flächen von Silberhaargras
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