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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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Augen, er wollte es zum Volksvertreter im Parlament bringen.
    Unvermutet verkündete Syahdan, er wolle Schauspieler werden. Dazu schien niemand weniger berufen zu sein als er. Bei den Aufführungen unserer Klasse konnte er jedenfalls keine einzige Rolle mit Text übernehmen, denn er brachte immer alles durcheinander. Deshalb gab ihm Mahar nur stumme Nebenrollen wie etwa den Diener, der der Prinzessin Luft zufächelt. Aber selbst das klappte nicht immer.
    »Du musst für deine Hoffnungen beten, Syahdan«, riet ihm Sahara. »Nur – kannst du dir vorstellen, was aus dem indonesischen Film wird, wenn der Herr dein Gebet erhört?«
    Was Mahar anging, so wollte er ein angesehener Hellseher werden, von Freund und Feind respektiert.
    Die allerbescheidensten Vorstellungen hatte Samson, der Pessimist. Er wollte Kartenabreißer und Türsteher in unserem Dorfkino werden. Ins Kino zu gehen war schon immer sein Hobby gewesen. Außerdem konnte er als Türsteher sein Machotum stärken. Der freundliche und gut aussehende Trapani wollte gern Lehrer werden. Harun hatte nach wie vor den Traum, Trapani zu werden.
    Und all das nur wegen Lintang. Wenn er nicht gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich nie angefangen, eigene Vorstellungen zu entwickeln, hätten wir nie gewagt, zu träumen. Für jedes Kind auf Belitung war klar, nach der Schule – egal ob nach der Grundschule oder nach der Mittelschule – würde man bei der staatlichen Zinnmine als Minenarbeiter anheuern und dort jahrzehntelang bleiben, bis man im Alter nur noch Gelegenheitsarbeiten verrichten würde. So kannten wir es von unseren Vätern und auch von deren Vätern – seit Generationen war das der Lauf der Dinge.
    Lintang mit seiner großen Begabung weckte unser Selbstbewusstsein. Er öffnete uns die Augen für die Möglichkeit, etwas anderes zu werden, als wir immer gedacht hatten. Er ermutigte uns, trotz aller Grenzen, auf die wir stießen, etwas aus uns zu machen.
    Lintang selbst wollte einmal Mathematiker werden. Wenn daraus etwas würde, dann wäre er der erste malaiische Mathematiker – eine wundervolle Vorstellung!
    Der Gedanke daran beschäftigte mich oft, insgeheim begeisterte ich mich für seinen Plan. Ich betete, dass es Lintang gelänge, sein Berufsziel zu erreichen. Angenommen, nur angenommen, Gott verlangte, dass jemand anderes seinen Berufswunsch aufgäbe, damit Lintang seinen verwirklichen könnte, dann war ich bereit, mein Ziel für Lintang zu opfern.
    Lintang steckte mitten in der Vorbereitung für den Intelligenzwettstreit der Schulen. Von Tag zu Tag wurde er überzeugender. Ob er in der Lage sein würde, die Leistung der Schüler von der Bergbaugesellschaft zu übertreffen, die selbst schon auf nationaler Ebene reüssiert hatten? Ob Lintang wirklich so genial war, wie wir die ganze Zeit angenommen hatten? Manchmal fürchteten wir, unsere Hochachtung vor ihm rührte daher, dass wir die Augen vor der Realität verschlossen. Wir hofften, er wäre mehr als nur der einäugige König unter uns Blinden.
    *
    Kopfzerbrechen bereitete mir noch Plan B, der Alternativplan, den mein Ratgeber nahelegte. Die Vorgehensweise war ganz einfach: Suche dir ein neues Interessengebiet und neue Fähigkeiten. Es war ein großartiges Rezept, ohne Zweifel das Produkt einer konspirativen Zusammenarbeit von Psychologen, Personalmanagern und Verlagsleuten.
    Mein Problem war lediglich, dass ich außer Badminton und Schreiben keine besonderen Fähigkeiten besaß. Genau genommen hatte ich noch eine weitere Fähigkeit, nämlich zu fantasieren. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass damit ernsthaft etwas anzufangen wäre.
    Endlich hatte ich Glück, nach wochenlangem Nachdenken kam mir, passenderweise als ich den Hühnerstall zumachte, ganz unbeabsichtigt eine zündende Idee. Das Schöne an meinem Plan B war, dass er es mir erlauben würde, an meinem Plan A festzuhalten: Wenn ich mit meiner Karriere als Badminton-Spieler scheiterte und auch als freier Schriftsteller erfolglos bliebe, würde ich eben Bücher und Artikel über Badminton schreiben!
    Ich hatte mir jedenfalls schon mal die begeisterten Reaktionen zusammenfantasiert, die dieses Buch auslösen würde. Auf der Rückseite stünde das Lob eines ehemaligen Gewinners des Thomas-Cups: »Noch nie ist über Sport so geschrieben worden wie in diesem Buch, der Autor hat wahrhaftig den Satz begriffen: Mens sana in corpore sano .«
    Der Minister für Jugend und Sport würde schreiben: »Ein bewegendes Buch.«
    Und der

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