Die Regenbogentruppe (German Edition)

er solle nachgeben. Flo übernahm seinen Platz und setzte sich neben Mahar. Dieser reagierte mit den drei Gesten, die uns immer an ihm ärgerten: Er zog die Augenbrauen hoch, zuckte mit den Schultern und nickte. Wir ärgerten uns, aber er war außer sich vor Freude. Der Herr hatte ihm auf wunderbare Weise eine Gefährtin gegeben – wie er es sich erhofft hatte. Sein Gebet war umgehend erhört worden. Umgekehrt hatte Trapani seinen Nachbarn eingebüßt. Da wir keine anderen Tische hatten, musste nun er neben der temperamentvollen Sahara sitzen. Sahara selbst war keineswegs bereit, Trapani so ohne Weiteres zu akzeptieren. Sie knurrte wütend.
    *
    Die ersten Tage staunten wir über einige von Flos Schulsachen, die für sie ganz normal waren. Sie besaß sechs verschiedene Schultaschen, jeweils passend zu ihren Outfits. Die Freitagstasche beeindruckte uns am meisten, weil sie Fransen hatte, genau wie die Taschen, die wir aus Indianderfilmen kannten.
    Flo wirkte wie ein Fremdkörper in unserer Klasse. Sie erschien uns wie ein Kranich im Entenstall. Was suchte dieses Mädchen reicher Eltern bloß in dieser armseligen Schule? Warum wollte sie die luxuriös ausgestattete Schule der Bergbaugesellschaft gegen diesen Kopraschuppen eintauschen? Aus welchem Garten hatte sie die verbotene Frucht gestohlen, dass man sie aus dem Paradies Gedong vertrieben hatte?
    Aber wie wir erfuhren, war sie gar nicht von der Schule geflogen, sondern wollte aus eigenem Antrieb auf die Muhammadiyah wechseln, ohne dass von irgendeiner Seite Druck ausgeübt worden wäre. Und sie war auch körperlich und geistig völlig gesund, nur hatte sie eben eine etwas eigenartige Denkweise.
    Auf unsere Frage nach dem Grund für ihren Wechsel antwortete sie in etwas übertrieben vornehmem Ton: »Weil ich euren Tanz beim Karneval so großartig fand. Der Tanz war voller Magie.«
    Diese Antwort verriet uns, warum sie ausgerechnet neben Mahar sitzen wollte. Nach Mahars eigenem Sinnspruch, das Schicksal drehe sich im Kreis, hatte der Kreis des Schicksals in unserer Klasse also nun zwei Geisterseher zusammengeführt.
    Es war sehr merkwürdig. In der Muhammadiyah, wo es gar nichts Besonderes gab, fühlte sich Flo unglaublich wohl. Sie schwänzte nicht einen Tag die Schule und war gegenüber Bu Mus immer sehr höflich. Sie erschien morgens als Erste, sogar noch vor Lintang. Sie fegte das Klassenzimmer und die ganze Schule, holte Wasser am Brunnen und goss die Blumen, ohne dass sie darum gebeten worden wäre. Die armselige Muhammadiyah war eine Brücke für ihre Seele.
    Flo verstand sich bestens mit Mahar. Wer sie sah, musste denken, sie wären ein Paar. Ein gut aussehender Junge und ein jungenhaftes, hübsches Mädchen, die nicht zu trennen waren. Doch in Wirklichkeit hatte ihre Beziehung überhaupt nichts von einer Liebelei. Sicher, sie waren gemeinsam verrückt, aber ihre Leidenschaft galt der übernatürlichen Welt, der Magie.
    Zusammen mit Flo machte Mahar große Fortschritte. Er fühlte sich nun stärker angezogen von Mythologie, von Anthropologie, Geschichte, Volkskunde, Archäologie, Heilkunde, vorgeschichtlichen Wissenschaften, Ritualen und Götzenverehrung. Er begann, sich als Fachmann für Paranormales zu sehen. Flo dagegen war eine reine Abenteurerin. Die wissenschaftlichen und mystischen Aspekte interessierten sie weniger. Sie wollte das Unheimliche erleben, suchte mystische Erfahrungen, um sich selbst auf die Probe zu stellen, wollte wissen, bis zu welcher Grenze sie Angstgefühle ertragen konnte. Sie war geradezu süchtig danach, in der Geisterwelt vor Angst zu zittern. Kurz: Flo war noch etwas verrückter als Mahar.
    Eines Nachmittags nach einem heftigen Regen vollzogen wir auf dem obersten Ast des Filicium ihre Initiation. In dem Moment, als ein schöner Regenbogen erschienen war und heftige Donnerschläge vom Himmel über Ostbelitung widerhallten, leistete sie den offiziellen Treueschwur als Mitglied der Regenbogentruppe.

 
     
     
    29  Dank James Herriot und der grünen Hügel von Edensor gelang es mir, mein Selbstmitleid zu überwinden. Ich war nun innerlich bereit, meine erste Liebe hinter mir zu lassen.
    Was für erstaunliche Selbstheilungskräfte man als Kind hat! Nach fünf Jahren inbrünstiger, romantischer Liebe wurde mein krankes Herz in wenigen Wochen wieder gesund, einfach durch einen Roman geheilt, wunderbar.
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