Die Regenbogentruppe (German Edition)
Alter weniger positiv denken?
A Ling bewahrte ich als einen kostbaren Teil meines Lebens. Und so machte ich mich weiterhin jeden Montagmorgen gemeinsam mit Syahdan auf, um Kreide zu besorgen, mit einer Art allumfassendem Hochgefühl der Liebe, mit derselben Begeisterung, obwohl ich nun von einer Bärentatze mit Geierkrallen bedient wurde.
Außerdem las ich weiter Psychologieratgeber über Persönlichkeitsentwicklung und ließ mich von John Lennons Ausspruch inspirieren. Die Fachleute in den Büchern rieten, man sollte seine Begabungen entdecken, und ich hatte keine Zweifel daran, worin diese Begabungen bei mir lagen: Ich hatte eine starke Neigung zum Schreiben und war ein begnadeter Badmintonspieler.
Bei den Badminton-Meisterschaften in unserem Bezirk landete ich immer auf dem ersten Platz. Ich hatte inzwischen so viele Pokale gewonnen, dass meine Mutter sie hernahm, um Wäsche damit zu beschweren, Türen zu arretieren oder die Wände des Hühnerkäfigs zu verstärken. Eine der Trophäen wurde immer als Hammer benutzt, um Kemirinüsse aufzuschlagen, und mit der, die mit einem scharfzackigen Stern verziert war, kratzte sich mein Vater bevorzugt den Rücken.
Meine Gegner besiegte ich meist haushoch. Sie trainierten über Monate hinweg, aßen jeden Morgen weiche Eier mit Jadam und bitteren Honig, um ihre Kondition zu stärken, konnten aber gegen mich nichts ausrichten.
Manchmal landete ich einen Stoppball und machte einen doppelten Salto oder gab einen Schmetterball zurück, während ich mit den Zuschauern scherzte. Wenn ich gerade Lust hatte, dann haute ich mit dem Rücken zum Gegner einen langen Schlag zwischen meinen Beinen durch, nicht selten auch mit links.
Wenn mich ein Gegner, der leicht aus der Fassung zu bringen war, so sah, wurde er nervös und ärgerte sich. Von dem Moment an verlor er. Das Publikum liebte solche Späße. Die Märkte waren leergefegt, wenn ich spielte, der Kaffeeausschank machte zu, die Schulen schickten ihre Schüler früher nach Hause und die Arbeiter ließen ihre Arbeit stehen und liegen, die Staatsbeamten, die sowieso gern dem Büro fernblieben, gingen gar nicht erst hin, und die Abgeordneten, die sonst nichts zu tun hatten, hockten schon lange vor Beginn des Wettkampfs am Rand des Platzes.
»Der Zwerghirsch mit dem Kraushaar« nannten sie mich. Das Badminton-Feld neben dem Rathaus war gerammelt voll. Wer keinen Platz mehr kriegte, stieg auf die Kokospalmen in der Nähe.
Diese Erfahrungen reichten meiner Meinung nach aus, um in Badminton meine Hauptbegabung zu sehen.
Bei meiner anderen Neigung, dem Schreiben, hatte ich allerdings noch keine Beweise dafür, dass ich auf diesem Gebiet auch etwas zustande bringen könnte, wenn ich einmal von A Kiongs Bemerkung über meine Briefe und Gedichte für A Ling absehe, die ihn – wie er sagte – oft amüsiert hätten. Ich wusste nicht, ob ich das positiv oder negativ nehmen sollte.
Jedenfalls konzentrierte ich mich nun darauf, meine Fähigkeiten auf diesen beiden Gebieten zu entwickeln. Badminton trainierte ich regelmäßig jeden Tag. Wenn ich müde wurde, brauchte ich nur einige Zeit John Lennon anzusehen, mit seinem feinen Lächeln und der runden Brille, und schon war ich wieder fit.
Laut Ratgeber hatte man als konstruktives Individuum zwei Pläne zu entwickeln, einen Plan A und einen Plan B.
Mein persönlich ausgearbeiteter Plan A sah detaillierte Schritte vor, vom Beginn bis zum Höhepunkt des Erfolgs. Wenn ich abends den Plan noch einmal durchlas, konnte ich kaum einschlafen. Die Formel hieß: Ich werde ein berühmter Badminton-Spieler oder ein berühmter Autor, wenn möglich, beides. Wenn nicht, dann wenigstens eines von beiden. Wenn keines von beiden, dann etwas anderes – nur bitte kein Postbeamter.
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Wenn ich meine Klassenkameraden ansah, dann hatten die auch jeweils ihren Plan A. Sahara zum Beispiel wollte eine Vorkämpferin für die Rechte der Frauen werden. Dieses Ziel hatte sie sich gesteckt, nachdem sie in vielen indischen Filmen gesehen hatte, wie miserabel Frauen behandelt werden. A Kiong wollte Schiffskapitän werden, um viel auf Reisen gehen zu können. Ich hatte jedoch eher den Verdacht, er hegte die Hoffnung, unter der großen Kapitänsmütze wäre sein großer viereckiger Schädel nicht mehr zu sehen. Kucai brachte alle Qualitäten eines Politikers mit: Er war schlau, populistisch und schamlos, hatte eine große Klappe und ein unstillbares Verlangen danach, alles zu diskutieren. Er hatte sein Ziel klar vor
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