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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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hatte auch ein großes Herz.
    Als Anerkennung für seine Fairness hatte Bu Mus Trapani erlaubt, ein Bild nach seiner Wahl in der Klasse aufzuhängen. Das war für ihn eine willkommene Gelegenheit, das Hochzeitsfoto seiner Eltern im Klassenzimmer anzubringen. Die beiden hatten es im Fotosalon Seruni in Manggar machen lassen und sahen auf dem Schwarz-Weiß-Bild sehr fein und vornehm aus.
    Lintang hatte ebenfalls ein Foto seiner Eltern mitgebracht, das die beiden kurz nach der Hochzeit zeigte. Sich zur Hochzeit in jenem Fotosalon in Manggar aufnehmen zu lassen hatte Tradition bei den Malaien. Das Hochzeitspaar, Lintangs Vater und Mutter, war rechts und links von zwei großen Vasen mit bunten Plastikblumen flankiert. Der Hintergrund bestand aus einer Tapete mit Blick auf eine Wiese. Eine äußerst fröhliche Familie war dort um ein überlanges Auto gruppiert, das merkwürdigerweise unter rotbelaubten Bäumen stand, wahrscheinlich sollte der Eindruck erweckt werden, das Bild wäre im Herbst in Europa aufgenommen worden.
    Lintang kramte in seiner Rattantasche, holte das Foto seiner Eltern heraus, warf kurz einen Blick darauf und steckte es wieder weg. Dann schwieg er wieder.
    Ich fächelte mir unentwegt Luft zu, nicht wegen der Hitze, sondern weil ich so aufgeregt war. Noch niemals hatte eine Dorfschule diesen Wettbewerb gewonnen. Allein schon die Einladung zur Teilnahme war eine große Ehre.
    Lintang schwieg. Seit wir am frühen Morgen auf den offenen Lastwagen gestiegen waren, der uns in die Bezirkshauptstadt Tanjung Pandan bringen sollte, hatte er kein Wort mehr gesprochen. Sein Vater, seine Mutter und die ganze Schar der Geschwister waren mitgekommen. Für sie alle – genau wie für Lintang selbst – war es die erste Fahrt nach Tanjung Pandan.
    Sahara saß in der Mitte, Lintang und ich links und rechts von ihr. Lintang hatte sich zurückgelehnt, er wirkte gelassen, aber auch erschöpft, kein Wunder, denn er hatte schon in der Vorbereitung auf den Wettbewerb die Hauptlast zu tragen gehabt. Ab und zu sah er zu seinen Eltern und seinen Geschwistern hin, die ärmlich gekleidet waren und aneinandergedrängt in einer Ecke saßen. Sie fühlten sich verloren in dem aufgeregten Treiben.
    »Zum Teufel mit dem Selbstvertrauen! Hauptsache, wir verstehen die Fragen richtig und drücken möglichst rasch auf den Knopf«, sagte ich zu Lintang und Sahara, um ihnen Mut zu machen. Sie reagierten nicht.
    Ich beobachtete die anderen Teilnehmer. Sie spielten schon mit den Knöpfen, die vor ihnen angebracht waren. Sahara war extra darauf eingeschworen worden, für unser Team den Knopf zu drücken, war jetzt aber nicht in der Lage, dem runden Ding auch nur ihre Hand zu nähern. Sie hatte schreckliches Lampenfieber und war wie gelähmt. Die ungewohnten lauten Geräusche der Klingelknöpfe und Mikrofone zerrten an unseren Nerven. Im Grunde hatten wir schon verloren, noch bevor der Wettkampf begann. Unsere Nervosität übertrug sich auf unsere Fans. Sie waren besorgt.
    *
    Endlich stand der Vorsitzende der Jury auf, stellte sich vor und erklärte den Wettbewerb für eröffnet. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Sahara war kreidebleich geworden, und Lintang sah aus wie versteinert.
    Ich traute mich nicht, zu den Zuschauern hinüberzusehen. Und auch Bu Mus wagte nicht, uns anzusehen. Pak Harfan, der es sich trotz seines schwachen Gesundheitszustands nicht hatte nehmen lassen, uns zu begleiten, hatte den Kopf gesenkt. Vielleicht aus Enttäuschung, weil er zu viel von unserem Auftritt erwartet hatte und jetzt einsehen musste, dass unser Kampfgeist wohl nicht ausreichen würde. Bu Mus richtete ihren Blick auf den Kronleuchter, der wie ein Krake von der Saaldecke herunterhing. Für unsere beiden Lehrer war dies bestimmt das aufregendste Erlebnis in ihrer Berufstätigkeit. In diesem Wettstreit stand nicht nur der Ruf der Schule auf dem Spiel, von dem Mister Samadikuns Entscheidung abhängen würde – auch ihr Ruf als Lehrer stand hier auf dem Prüfstand.
    Jetzt trat eine Dame in einem eleganten Kostüm ans Mikrofon. Sie bat um Ruhe, damit sie die Fragen vorlesen konnte. Die Stunde der Wahrheit nahm ihren Anfang. Alle waren bereit, sich dem Bombardement der Fragen zu stellen, bereit, auf den Klingelknopf zu drücken. Eine ungeheure Spannung lag in der Luft.
    Da kam die erste Frage.
    »Eine Frau in Frankreich, zwischen Mythos und Realität …«
    Kring! Kriiiiiingggg! Kriiiiiiiiinnngggg!
    Die Frage war noch nicht ganz ausgesprochen worden, da hatte

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