Die Regenbogentruppe (German Edition)
musste auch aufs Meer. Er suchte sie am Flussufer, wo sie die Boote kalfaterten. Er wartete unter den Pfefferbäumen auf sie. Aber niemand wollte Pak Harfans Ruf folgen. Nicht selten verjagten ihn die Aufseher, wenn nicht sogar die Kinder selbst.
An einem stillen Abend verschied ein armer Mann, dessen Herz so weit wie der Himmel gewesen war. Eine Quelle auf dem dürren, verlassenen Feld hatte aufgehört, ihren Segen zu spenden. Doch in den Herzen seiner elf Schüler hinterließ Pak Harfan einen unerschöpflichen Reichtum lebendigen Wissens.
Wir saßen im Klassenzimmer und weinten. Am lautesten Harun. Pak Harfan war für ihn wie ein Vater gewesen. Er konnte nicht aufhören zu schluchzen, wir konnten ihn nicht beruhigen. Die Tränen strömten und durchweichten sein Hemd.
32 Sie nannten sich selbst Societeit de Limpai , oder einfach die Limpai -Gruppe. Sie waren heimlich tätig, eine Untergrundorganisation.
Der Limpai ist zwar ein sagenhaftes Fabelwesen aus der Belitung’schen Mythologie, vor dem sich viele Menschen fürchten, aber für die meisten jungen Leute war er nur mehr eine Figur aus einer der alten Legenden. Es erscheint in den Volkssagen in unterschiedlicher Gestalt und geht auf die von Generation zu Generation weitergegebene Weisheit zurück, dass man die Natur nicht ungestraft ausbeuten darf. Niemand sollte es wagen, den Geist Limpai zu reizen, der Wald und Quellen bewacht. Die Leute an der Küste halten ihn für eine Fee, die in den Bergen haust. Die Bergbewohner meinen, er wäre ein großes weißes Tier ähnlich einem Mammut. Die Malaien auf dem flachen Land glauben, er wäre ein Wind, der, wenn er zornig wird, Bäume entwurzelt und Reishalme knickt. In einigen anderen Gegenden gilt der Limpai als Bogey , als großes schwarzes Schreckgespenst.
Niemand wusste, wann und wo sich ihre Mitglieder trafen und was sie besprachen. Wenn jemand zufällig auf Leute der Societeit stieß, wechselten diese rasch das Thema oder taten gar, als ob sie einander nicht kennten. Ihr Benehmen diente der Tarnung, nicht etwa, weil sie auf geheimer, anarchistischer oder kommunistischer Mission waren oder etwas Ungesetzliches vorhatten, sondern weil sie nicht wollten, dass man sie verspottete. Denn die Societeit war eine Vereinigung von Leuten, die unnützes Zeug trieben und eine große Vorliebe für die Welt von Magie und Mystik besaßen.
Neun Personen waren bei der Gesellschaft als Mitglieder eingeschrieben. Die Aufnahmebedingungen waren äußerst streng. Das älteste Mitglied, ein pensionierter Hafenmeister, war 57 Jahre alt, die jüngsten Mitglieder waren zwei Jugendliche. Unter den übrigen sechs gab es einen Kassierer bei der lokalen Zweigstelle der Bank Rakyat Indonesia , einen chinesischen Goldschmied, einen Arbeitslosen, einen Keyboardspieler und einen ehemaligen Studenten der Elektrotechnik, der nun eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder betrieb. Dazu kam Mujis, der Moskitosprüher.
Komischerweise hatte der Jüngste den Vorsitz im Verein inne. Er war der Gründer der Gesellschaft und wurde von den anderen Mitgliedern wegen seiner weitreichenden Kenntnisse der übernatürlichen Welt und wegen seiner reichen Sammlung an Horrorgeschichten hoch geachtet. Es war niemand anderes als Mahar. Das andere jugendliche Mitglied war natürlich Flo.
*
Die Societeit war sehr rege. Sie unternahm Expeditionen in Gegenden, in denen Geister hausten, untersuchte mystische Vorgänge, zeichnete Sagen aus der malaiischen Überlieferung auf. Man konnte in den Mitgliedern der Societeit mutige Leute sehen, die darauf aus waren, sonderbare Erscheinungen zu ergründen, Menschen mit kritischem Blick, die sich nicht mit Halbwahrheiten zufriedengeben wollten, die etwas nicht als gegeben hinnehmen wollten, wenn sie es nicht selber gesehen oder wahrgenommen hatten.
Es war eine gescheite Idee von Mahar und Flo, die Gestalt des Limpai zur Symbolfigur ihrer Gesellschaft zu machen. Da das Fabelwesen verschiedene Bedeutungen hatte, konnte es für eine Vereinigung von Wissenschaftlern, von Verrückten oder auch von Häretikern stehen. Jeder konnte seine Sichtweise entsprechend der jeweils unterschiedlichen Bedeutung des Limpai einbringen.
Unter Anleitung des ehemaligen Studenten der Elektrotechnik bastelten sie sich einen Detektor, mit dem sie im Rahmen ihrer Beobachtungen elektromagnetische Wellen in einer Dichte von etwa zwei bis sieben Milligauß messen konnten. Sie waren überzeugt, dass Geister und Gespenster in diesem Bereich
Weitere Kostenlose Bücher