Die Regentin (German Edition)
einem Priester, der bei uns weilte .
Am Anfang schämte er sich, weil er nicht im Kampfe um Dich starb, sondern schmählich wie ein Mädchen verschleppt wurde. Dann schämte er sich, weil er Dir nicht helfen konnte. Zuletzt schämte er sich, weil Du so viel Kraft hattest – er aber nicht. Gewiss, ihm ist die Flucht gelungen, und das schenkte ihm Zutrauen. Doch eben darum, so gestand er mir, hat er von dieser Stunde an nicht nach Dir suchen können. Wie ich schon schrieb: An Deiner Stelle, so war er sicher, wäre er längst gestorben. Wie anders konnte er darum seinen mageren Stolz nähren als mit der Vorstellung, dass Du am Ende doch nicht stärker warst als er?
Er ahnte den Betrug. Und bekam von dem Boten Gewissheit. Wie elend fühlte er sich auf seinem Sterbebett, wie erbärmlich!
»Mein Vater würde vor Schande vergehen, wüsste er um seinen feigen Sohn«, murmelte er ein ums andere Mal .
Und desgleichen hat er stets aufs Neue wiederholt, dass er die einzig willensstarke, großartige Entscheidung in seinem Leben – jene, die Flucht zu wagen – nur darum getroffen hatte, weil Du Dich, von ihm fortgeschleift, ein letztes Mal nach ihm umgedreht hast .
Ja, diesen Blick hat er gespürt .
»Wie ein Häuflein Elend habe ich dagehockt«, so sprach er, »wie ein erbärmlicher Feigling. O, sie muss mich dafür verachtet haben!«
Die Furcht vor dieser Verachtung spornte ihn an, aber sie währte nicht lange genug, um ihn für den Rest des Lebens zu festigen .
»Hätte man mir Dich nicht zum Weib gegeben«, sagte er zu mir, »dann wäre ich gewiss an meiner Schmach zugrunde gegangen. Du hast mich stets getröstet. Du hast mir stets das Gefühl gegeben, ich wäre trotz allem ein starker Mann.«
»Aber war ich nicht nur zweite Wahl für dich?«, gab ich verwirrt zurück .
»So wie ich Gleiches nur für Bathildis sein konnte«, antwortete er. »Es ist von Gott schon richtig gefügt worden, dass sie einen König zum Gatten bekam und nicht mich...«
Ja, so denke ich inzwischen auch: Dass einem jeden das geschenkt wurde, was er verdiente, und Dir, so bin ich glücklich, das meiste! Denn Dein Ruhm wird währen, da wir schon längst zu Staub zerfallen sind .
Rigunth neigte sich noch näher zur Königin, doch jene blieb unerreichbar. Unwiderruflich war offenbar die Flucht vor dieser Welt, die ihr in den letzten Jahren noch manchen Kummer bereitet hatte.
Bathildis hatte Ebroin niemals wiedergesehen. Theuderich, für den er nun herrschte, berichtete kummervoll von Ebroins Wunsch, nach Austrasien einzufallen, nachdem der dortige König Dagobert gleichfalls ermordet worden war, und blickte sie so verstört an, dass er sie unwillkürlich an seinen Vater erinnerte. Wie Chlodwig, durchfuhr es Bathildis, er ist wie Chlodwig, er möchte nichts Falsches tun und kann gerade deswegen niemals das Richtige durchsetzen.
Seufzend unterließ es Bathildis, ihm zuzusetzen, ihm Ratschläge zu geben. Was hätte sie ihm auch sagen können, wusste sie doch – so widersinnig es auch war – Theuderichs Leben von Ebroin geschützt.
»Vielleicht hat er daran gedacht, auch mich zu töten«, hatte Theuderich seufzend berichtet, »auf dass alle Merowingersöhne ausgerottet wären und sich der Kampf alleine zwischen ihm und den Pippiniden in Austrasien entspinne. Doch er hat es nicht getan – wahrscheinlich, weil ich ihm nützlich bin.«
»Oder weil er Chlodwigs Sohn ist«, hatte Bathildis später zu Rigunth gesagt, »und weil Ebroin den König zu sehr geliebt hat, um sich an dessen Fleisch und Blut zu vergreifen.«
»Oder weil er dein Sohn ist ... dein liebster«, hatte Rigunth geantwortet, »und weil Ebroin, ganz gleich wie herzlos und verroht er geworden sein mag, dir niemals Leid zufügen würde!«
Bathildis hatte nicht geantwortet, nur unmerklich gelächelt. Die Gewalt, welche sich da im Frankenreich entlud und viele der Großen zur Flucht nach Aquitanien bewegte, wen würde sieals Nächsten treffen? Vielleicht Ebroin selbst, der sich so viele Feinde gemacht hatte?
Geliebte Bathildis, so beende ich dies Schreiben mit aller Demut, die vonnöten ist, wenn eine wie ich sich an eine wie Dich wendet, die Du – wie wir hörten – zu einer strahlenden Königin geworden bist. Ich will Dich nicht wieder belästigen, denn nun ist schließlich der Zweck meiner Nachricht erfüllt: Dir Zeugnis davon zu geben, dass Aidan Dich nie vergessen hat .
Ich hoffe, dass es Dir leicht wird, ihm zu vergeben. Noch mit seinen letzten Worten hat er um Deine
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