Die Regentin (German Edition)
sein, wohingegen ich mich entschieden habe, Bathildis nicht nur einen Verlobten zur Seite zu stellen, sondern sie dieses Trauma als Erwachsene erleben zu lassen.
Auch bei anderen Details vermischte ich Fakten – aufgrund der schlechten Quellenlage genau genommen oft nur Vermutungen von Historikern – mit fiktiven Elementen. Erchinoald scheint tatsächlich selbst um Bathildis geworben zu haben, doch ob dies zu Lebzeiten seiner Gattin Leutsinda geschah, die in zeitgenössischen Quellen als ähnlich zänkisch und streitsüchtig dargestellt wird wie in meinem Buch, er Bathildis also zu seiner Konkubine machen wollte, oder ob diese nach Leutsindas Tod die Ehre ausgeschlagen hatte, seine Ehefrau zu werden, ist nicht geklärt.
Im Dunkeln liegt auch Ebroins Herkunft. Er dürfte aus keiner der großen Adelsfamilien stammen und wurde von diesen vielmehr als Emporkömmling betrachtet. Doch anders als in meinem Roman ist er wohl – als Vertrauter des Bischofs Audoin von Rouen – erst nach Chlodwigs Tod und nicht schon als dessen Freund in Bathildis’ Leben getreten.
Dass relativ wenige Daten gesichert sind – so z. B. der exakte Zeitpunkt der Ermordung von Bischof Aunemund von Lyonoder der Tod von Bischof Eligius erlaubte mir, diese Ereignisse in jenen Kontext zu setzen, welcher meiner Dramaturgie zuträglich war. Desgleichen habe ich diese Begebenheiten wie viele andere Zusammenhänge sehr stark vereinfacht.
Der Vereinfachung diente auch, dass ich die Terminologie weitgehend dem heutigen Sprachgebrauch und nicht dem damaligen angepasst habe – das betrifft z. B. die Namen der beiden fränkischen Teilreiche oder einzelne Städten und Ortschaften, den ich ihre spätere französische Bezeichnung gegeben habe, um die Orientierung zu erleichtern.
Erfunden sind selbstverständlich die Charaktere der Protagonisten, ihr Gefühlsleben, ihre Motivationen – nicht zuletzt, weil zeitgenössische Quellen hier wenige oder keine Informationen preisgeben oder aber so subjektiv sind, dass man ihrem Wahrheitsgehalt misstrauen muss.
Über den historischen Chlodwig gibt es kaum nennenswerte Quellen. Wohingegen in Bathildis’ Vita ausdrücklich seine Frömmigkeit erwähnt wird, wird er beim Chronisten Fredegar sehr negativ geschildert: »Chlodwig selbst aber führte ein wüstes Leben, warein Hurer, Weiberschänder, ein Fresser und Säufer. Über seinen Tod und Ende berichtet die Geschichte nichts des Gedächtnisses Würdiges. Denn die Schriftsteller sagen viel Böses von seinem Ende, sie kennen aber nicht den Ausgang seiner Verworfenheit.«
Auch über Ebroin, der nicht lange nach Bathildis’ Tod ein unrühmliches Ende fand, nämlich im Frühjahr 681, als ihn ein gewisser Erenfried erschlug, gibt es zwiespältige Urteile: Die kirchliche Tradition hat ihn als Antichrist gebrandmarkt, als Abschaum der Menschheit, eine andere Quelle hingegen nennt ihn einen tüchtigen Mann, wenngleich er mit dem Hinrichten von Bischöfen schnell bei der Hand gewesen wäre. Nach unserenMaßstäben ist er – gerade wenn man die Ereignisse rund um die Entmachtung seines Widersachers Leodegar betrachtet – ein zutiefst grausamer Mensch; gemessen an anderen Persönlichkeiten der Merowingerzeit, nicht zuletzt an vielen ihrer Könige, war er jedoch ein Kind seiner/s Zeit(geistes).
Vor allem Bathildis, von Papst Nikolaus I. im 9. Jahrhundert heiliggesprochen, ist als Mensch nur schwer fassbar. Ihre Vita – wahrscheinlich von einer der Nonnen zu Chelles verfasst – weiß sich schließlich nicht von der Motivation getragen, ihren Charakter zu ergründen, sondern ihre Heiligsprechung voranzutreiben und ein idealtypisches Frauenleben der damaligen Zeit zu entwerfen – nicht zuletzt zum Zweck, den Gläubigen ein Vorbild zu geben. Demnach war sie, anders als in meinem Roman, eine Frau ohne Fehl und Tadel: »Dank ihrer von Gott verliehenen Klugheit war sie unermüdlich in ihrer Arbeit. Sie gehorchte dem König als Herrn, den Großen gegenüber war sie wie eine Mutter, den Priestern wie ein Kind, der heranwachsenden Jugend war sie die treueste Fürsorgerin. Liebenswürdig gegen alle, liebte sie die Priester wie Väter und die Mönche wie Brüder. Den Armen war sie treue Helferin und teilte reichliche Almosen unter sie aus. Sie ehrte den Stand der Großen des Reiches und achtete auf deren Ratschläge. Sie ermahnte immerzu die Jugend zu frommem Leben und beredete den König bescheiden und doch ausdauernd zur Sorge für die Kirche und die Armen.... Sie betete
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