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Die reinen Herzens sind

Die reinen Herzens sind

Titel: Die reinen Herzens sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Zelten gefahren sein?«
    »Zelten?«
    »Sie wissen schon, in die Wälder fahren, ein Zelt aufbauen, in der Wildnis schlafen.«
    »Reden wir von derselben Marie?« Lita kratzte sich an der Nase. »Nee, hab nie erlebt, daß sie Zelten gegangen ist.« Die alte Frau legte die Stirn in Falten. »Es ist ’ne Weile her, daß sie hier war. Aber hier sind alle Tage gleich. Was ist los mit ihr?«
    »Mit Marie?«
    »Ja, mit Marie. In welche Schwierigkeiten hat sie sich jetzt wieder hineinmanövriert?«
    »Wie kommen Sie darauf, daß sie in Schwierigkeiten sein könnte?«
    »Wenn sie in Schwierigkeiten war, ist sie immer zu mir gekommen. Und als Teenager war das oft der Fall. ›Ma, ich bin in Schwierigkeiten. Gib mir Geld‹, hieß es dann. Wenn’s ihr gut ging, wollte sie nichts von mir wissen. Aber ich war auch eine beschissene Mutter, wollte auch nicht viel von ihr wissen. Zwei Dickschädel unter einem Dach. Das konnte nicht gutgehen. Keine von uns beiden wollte nachgeben.«
    Wenn sie von der Vergangenheit sprach, bewegte sich die alte Dame offenbar auf sicherem Gelände.
    »Einmal wollte Marie einen Hund. Ich hab nein gesagt, aber das hat sie nicht abgehalten. Marie hat sich einen Hund gekauft und ihn versorgt. Ich war überrascht. Aber so war Marie. Loyal bis zur Selbstaufgabe.«
    »Auch gegenüber Menschen?«
    »Gegenüber Menschen, gegenüber Ideen. Sie glaubte an die freie Liebe, bis zur Selbstaufgabe. War in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Die sexuelle Revolution. Die Kids waren wild, besonders oben im Norden, dem Land der Blumenkinder. Die Leute lebten auf der Straße in Haight-Ashbury und fickten alles, was ihnen in den Weg kam.« Lita schüttelte den Kopf. »Schlechte Zeiten für eine Mutter.«
    In Litas Stimme lag Bedauern. Allerdings wohl kaum, weil sie in diesen Zeiten ein Kind gehabt hatte. Eher weil sie damals selbst nicht mehr jung gewesen war. »Ist Marie je schwanger gewesen?«
    Lita brach in Gelächter aus. »Häufiger als ein Karnickel.«
    »Und was ist mit den Babys geschehen?«
    »Sie kriegte keine Babys. Hat sie alle abtreiben lassen.«
    »Sie hat kein Kind ausgetragen?«
    »Nicht, soviel ich weiß. Ich weiß nicht, was sie gemacht hat, als sie an der Uni war. Meine Tochter konnte die Beine einfach nicht zusammenhalten.« Lita lachte. »Ich frage mich, woher sie das nur hatte.«
    Decker ging darauf nicht weiter ein.
    »Sie hat’s getan, um mir eins auszuwischen, wollte mir eine Ahnung davon geben, was ich anderen angetan hatte. Hätte sie sich sparen können. Ich bereue nichts im Leben, habe ein paar nette Erinnerungen. Das ist eigentlich alles, was mir im Augenblick geblieben ist.«
    »Als junges Mädchen hat sie also bei Ihnen gelebt?«
    »Richtig.«
    »Hat sie mit fünfzehn ein Kind gekriegt?«
    Lita starrte ihn an. »Natürlich nicht, das hätte ich doch wissen müssen.« Ihr Blick schweifte in die Ferne. »Wäre vielleicht nett gewesen, ein Enkelkind zu haben, jemand, der mich besuchen kommt.«
    »Sie hat also kein Kind bekommen und es zur Adoption freigegeben?«
    »Was sollen diese blöden Fragen? Während Marie bei mir gewohnt hat, hat sie kein Baby bekommen. Sie hat nur abtreiben lassen. Ich glaube dreimal, bevor sie nach Berkeley gegangen ist. Keine Ahnung, warum sie das mit der Pille nicht hingekriegt hat. Ich schätze, erst Jesus hat geschafft, was die Pille nicht vermocht hat. Sie hat ’ne Menge Götter angebetet, blaue Götter, achtarmige Götter, fette Götter. Schließlich kam sie zu Jesus. Vermutlich, weil er schlank und schlau war.«
    Lita zuckte die Schultern.
    »Ich bin müde. Kommen Sie morgen wieder. Dann reden wir weiter.« Eine kleine knöcherne Hand berührte Deckers Arm. »Tun Sie mir einen Gefallen, mein Hübscher. Bringen Sie mir ein Viererpack Karamelpudding mit, ja?«
    »Gebongt, Lita.«
    »Sie sind ein Schatz.« Lita wandte den Kopf ab und döste in ein anderes Leben hinüber.
    Decker wartete einen Augenblick, dann ging er. Litas Gedächtnis war zwar nicht immer zuverlässig, aber was die Vergangenheit ihrer Tochter anging, war sie ihrer Sache sehr sicher gewesen. Marie konnte unmöglich Tandys Mutter sein.
    Warum also hatte sich Marie so sehr zu Tandy hingezogen gefühlt? Litas Worte fielen ihm wieder ein.
    Loyal bis zur Selbstaufgabe.
    Vielleicht hatte Marie beschlossen, Tandy zu bemuttern. Dann hatte Tandy sie zurückgewiesen, und sie war durchgedreht.
    Decker sah auf die Uhr. McKay mußte inzwischen aus der Mittagspause zurück sein. Als er jedoch den

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