Die reinen Herzens sind
beiden zu sehen.
Was, zum Teufel, war hier los?
Zehn nach zwei trat Cindy zögernd über die gelbe Linie. Sie eilte durch die leeren Korridore direkt zu Rinas Zimmer und klopfte leise an. Als niemand reagierte, öffnete sie die Tür und trat ein.
Dad schlief auf einer Liege neben Rinas Bett. Sie rüttelte sanft an seiner Schulter. Er wachte so schnell auf, daß sie erschreckt zurückfuhr. Er trug einen grauen Jogginganzug und Tennisschuhe. Seine schlafgetrübten Augen musterten sie prüfend. Ein Blick genügte, und er führte sie wortlos in den Korridor hinaus.
»Was ist passiert?«
»Hannah geht’s prächtig, Daddy.«
Decker schluckte erleichtert.
»Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte Cindy. »Ich wußte nur nicht, was ich tun …«
»Was du tun solltest? Weshalb?«
»Kein Mensch ist in der Säuglingsstation …«
»Was!«
»Seit ungefähr einer Dreiviertelstunde«, sagte Cindy. »Ich habe versucht, am Empfang anzurufen, aber niemand meldet …«
»Wer ist jetzt bei den Säuglingen, Cindy?«
»Niemand.«
»Großer Gott!« Decker begann zu laufen. »Du hast Hannah allein gelassen.«
»Entschuldige, aber ich wußte nicht …«
»Warum hast du mich nicht angerufen?«
»Ich wollte Rina nicht wecken …«
»Herrgott, Cindy … benutz deinen Verstand! Es ist besser, Rina aufzuwecken, als Hannah allein zu lassen …«
»Daddy, das ist die falsche Richtung!« Sie zupfte ihn am Arm und schob ihn nach links. »Hier lang.«
Sie rannten den Hauptkorridor der Säuglingsstation entlang und stießen beinahe mit Darlene zusammen. Die mollige Schwester starrte sie mit großen Augen an und ging dann energisch in Richtung Station J.
»Was ist passiert?«
»Wo sind Sie gewesen?« fragte Cindy.
»In Abteilung B«, rechtfertigte sich Darlene. »Wenn Sie was gebraucht haben, warum haben Sie nicht Marie gefragt?«
»Weil ich Marie nirgends finden konnte.«
»Wie bitte? Wer ist dann bei den Kindern?«
»Gute Frage?« warf Decker schneidend ein.
»Da ist schon seit ungefähr einer Stunde keiner mehr gewesen«, erklärte Cindy.
»Das ist Wahnsinn!« Darlene schnappte nach Luft. »Ich bin Marie schon vor einer ganzen Weile begegnet. Sie sagte, sie sei auf dem Weg zurück zur Station J.«
»Dort ist sie nicht aufgetaucht«, warf Decker ein.
Kaum hatten sie die Abteilung erreicht, blieb Darlene stehen. »Detective, ohne sterile Kleidung müssen Sie hier warten.«
»Cindy, du gehst rein und vergewisserst dich, daß mit Hannah alles in Ordnung ist.«
»Wird gemacht.«
Darlene sah Decker an. »Es tut mir sehr leid. Ich begreife nicht, wie das pass …«
»Ich schon. Durch Ihre Nachlässigkeit!« fuhr Decker sie an.
»Ihr Ton gefällt mir nicht, Detective.«
»Und ich habe was gegen Schlamperei in einem Krankenhaus.«
Darlene verschränkte die Arme vor der Brust. »Es hat wohl keinen Sinn, daß wir uns weiter unterhalten.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Also vergessen Sie mich und machen Sie sich einfach wieder an Ihre Arbeit.«
Mit rotem Gesicht und zitternd schnappte Darlene nach Luft. Dann machte sie kehrt und verschwand im Inneren der Abteilung J. Decker merkte, daß er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Langsam entspannte er sich. Kurz darauf kam Cindy zurück.
»Sie ist in Ordnung, Daddy«, begann sie atemlos. »Schläft wie ein …« Cindy brach unvermittelt in Tränen aus. »Entschuldige.«
Decker zog seine Tochter an sich. »Nein, ich muß mich entschuldigen, Cindy. Ich hätte dir keine Vorwürfe machen dürfen. Das war gemein.« Er lachte nervös. »Tausend Dank für all deine Hilfe!«
Cindy lächelte schon wieder. »Schon gut, Daddy. Hauptsache, Hannah ist okay.«
»Ich bringe Rina und Hannah nach Hause, sobald ich die Erlaubnis von Rinas Arzt habe. Dieses Krankenhaus ist ein Albtraum. Die Verwaltung kriegt was zu hören. Verlaß dich drauf. Da rollen Köpfe.«
»Daddy, Darlene ist eine alleinerziehende Mutter …«
»Das ist mir egal. Wenn das ein typisches Beispiel für ihr Verantwortungsgefühl ist, dann stinkt das zum Himmel.«
»Was ist mit Marie?« erinnerte Cindy ihn. »Ist es nicht auch ihr Fehler?«
»Wie ich das sehe, kann man den beiden nicht mal die Verantwortung für einen Hühnerstall übertragen.«
»Daddy, schrei bitte nicht so«, flüsterte Cindy heiser.
Decker schluckte. »Dein Dad auf Kriegspfad, was?«
Cindy hakte sich bei ihm ein. »Ich verstehe dich ja. Ich war auch völlig durcheinander. Zwölf Babys und niemand war da, der …«
In diesem Moment
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