Die reinen Herzens sind
Säuglingen arbeitete, plötzlich ein Kind stehlen? Hatte sie einen verborgenen Mutterkomplex? Einen Anfall von Unzurechnungsfähigkeit? Vielleicht hatte sie es auch gegen ihren Willen getan. Vielleicht hatte irgendein Psychopath sie mit vorgehaltener Waffe gezwungen, das Baby mitzunehmen. Dieser Gedanke machte Decker am meisten angst … Marie und der Säugling in den Händen eines Geisteskranken.
Er steckte die Hände in die Taschen und sah den Mann vom Sicherheitsdienst an. Der Junge war sauer … fühlte sich vermutlich bevormundet. Pech für ihn. Er und seine Kollegen hatten ihre Chance gehabt und sie vermasselt. Mit Pauken und Trompeten. Die Firma TECHWATCH von der Wach- und Schließgesellschaft machte jetzt Überstunden, um ihren Hintern zu retten, bemühte sich um Schadensbegrenzung.
Viel Glück, mein Junge.
Die Mutter des Säuglings war noch so verzweifelt und hysterisch, daß sie nicht daran dachte, eine Klage einzureichen. Aber nach ein, zwei Tagen, wenn das Baby nicht wieder bei ihr war, würde sich das ändern. Dann mußte das Krankenhaus mit dem Anruf eines aufgeplusterten Anwalts rechnen.
Marge Dunn kam zu ihm. Das Notizbuch in der Hand. »Wie sieht’s aus, Rabbi?«
»So lala.« Decker seufzte. »Wie geht es Lourdes Rodriguez?«
»Sie schläft.«
»Konntest du mit ihr sprechen?«
»Kurz. Sie ist mit dem Vater nicht verheiratet, aber sie leben zusammen. Kann sich nicht vorstellen, daß Papi die Kleine entführt hat. Oder Marie dazu gezwungen hat. Bei der Aussicht, ihm sagen zu müssen, was passiert ist, ist sie fast durchgedreht. Sie hat Angst vor seiner Reaktion.«
»Ihr gegenüber?«
»Auch. Aber eher gegenüber dem Krankenhaus.« Marge zog die Augenbrauen hoch. »Sieht so aus, als spiele Matty gern mit dem Feuer und besitze ein oder zwei Handfeuerwaffen …«
»Großer Gott!«
»Wenn ich du wäre, würde ich Rina hier wegbringen.«
»Sie wird heute um zehn entlassen. Wir sollten den Jungen überwachen. Wie heißt er mit vollem Namen?«
»Matthew Luke Lopez.«
»Hat er seinen Namen anglisiert?«
»Nein, das ist sein richtiger Name. Er ist in Amerika geboren, aber im spanischen Ghetto aufgewachsen. Lourdes behauptet, er habe ein gutes Herz, aber ein gefährliches Temperament.«
»Ist ja mal was ganz Neues«, murmelte Decker leise. »Wie alt?«
»Siebzehn, achtzehn. Lourdes ist sich nicht sicher.«
»In dem Alter sind sie alle sehr impulsiv.«
»Ja.« Marge überlegte. »Fairerweise muß ich sagen, daß Lourdes ziemlich unzusammenhängendes Zeug erzählt hat. Der Arzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Jetzt ist sie wie gedopt, das arme Kind.« Marge strich sich braune Haarsträhnen aus der Stirn. »Mann, das ist wirklich der Horror. Du mußt ja das große Zittern gekriegt haben.«
»So ungefähr … ja.« Decker schwieg. »Hast du aus der Familie Rodriguez was rausbekommen?«
»Mamacita ist jetzt bei Lourdes. Sie spricht nur gebrochen Englisch und verweist ständig auf ihre Söhne.«
»Lourdes’ Brüder sind hier?«
»Sie warten in der Lobby auf mich. Ich habe sie aus dem Krankenzimmer rausgeworfen. Hat mich nicht unbedingt beliebt gemacht. Aber wenn dir drei Machos ständig über die Schulter schauen, funktioniert gar nichts. Ich hatte ihnen allerdings gesagt, daß sie in der Nähe bleiben sollen, weil ich mit ihnen reden muß. War auch nicht gerade nach ihrem Geschmack. Scheinen bisher keine positiven Erfahrungen mit der Polizei gemacht zu haben. Bei solchen Leuten weißt du am Abend, was du getan hast. Was meinst du, soll ich die Nachtschwester vernehmen?«
»Darlene Jamison?« Decker schüttelte den Kopf. »Nein, das übernehme ich. Ich habe schon mit ihr gesprochen. Kurz nachdem es passiert war. Sie war auch reichlich konfus. Aber sie konnte mir ungefähr sagen, wo sie wann gewesen ist. Sie sagt die Wahrheit. Soviel ist klar. Aber ich bin mit ihr noch nicht fertig.«
»Wo ist sie?«
»Im Stationszimmer. Sie ruft ihren Babysitter an, damit sie länger bleiben kann. Ich bin wütend auf die Frau. Trotzdem tut sie mir leid. Sie ist am Boden zerstört. Natürlich hat sie vor den Konsequenzen Angst. Sie ist an der Sache nicht ganz unschuldig.« Decker sah auf die Uhr. »Sie ist jetzt seit einer Viertelstunde weg. Ich gebe ihr noch fünf Minuten. Dann nehme ich sie noch mal in die Mangel.«
Marge überlegte. »Was machst du wegen Cindy?«
»Sie ist bei Rina. Du kannst sie vernehmen, sobald mein Ex-Schwiegervater hier ist.«
»Ist es nicht übertrieben, einen Anwalt
Weitere Kostenlose Bücher