Die Reise-Bibel
in den letzten beiden Stunden seines Fluges |134| nach Los Angeles in einen unruhigen, von wirren Träumen geschüttelten Schlaf. Als er bei der Lautsprecheransage, dass sich
die Maschine jetzt auf dem Landeanflug befindet, alle ihre Rücklehnen senkrecht stellen und den Sicherheitsgurt anlegen sollen,
abrupt aufwacht, schaut er sich einen Moment um, registriert den sauren Geschmack in seinem Mund und gleichzeitig einen heftigen
Kopfschmerz. In seinem Mund befindet sich ein pelziges Tier. Er stöhnt leise auf, dann schimmert in seinem Bewusstsein das
erste Anzeichen von Erkenntnis. Oh Gott. Wie konnte er sich bloß so gehen lassen? Kevin Miami zeigt ihm den Stefan-Raab-Daumen.
Er ist jetzt einer von ihnen. Um Gottes willen, denkt der Doktor, und er winkt nach der Stewardess. Er braucht eine Kopfschmerztablette.
Schnell. Doch niemand in Uniform beachtet ihn.
Zehn Minuten später ist die Maschine gelandet. Der Doktor legt die
waste bag,
die er vorsorglich ausgepackt hatte, wieder in das Fach des Vordersitzes zurück. Er ist dankbar, dass dieser Flug des Grauens
endlich vorbei ist. Er wird ein paar Tage Urlaub in L.A. anhängen und am Strand relaxen. Das ist zwar nicht seine Art für
gewöhnlich, aber diesmal hat er es sich verdient. Und er wird gleich im Terminal seinen Rückflug in die Business oder First
Class umbuchen, egal, was das kostet. Prioritätsstufe eins. Und warum geht das hier eigentlich nicht voran? Obwohl die Maschine
längst ausgerollt ist, sind die Anschnallzeichen noch immer nicht erloschen. Unruhe macht sich unter den Passagieren breit.
Auch der Doktor ist unwillig.
Was denn jetzt noch?
Der Pilot meldet sich über Lautsprecher: »Meine Damen und Herren, willkommen in Los Angeles. Bitte bleiben Sie noch einen
Moment auf Ihren Plätzen, wir erwarten einige Kollegen der amerikanischen Polizei an Bord! Vielen Dank!«
Polizei an Bord? Was wollen die denn hier? Sind diese Spinner von der Lufthansa etwa mit Schwerverbrechern |135| an Bord losgeflogen? Der Doktor schüttelt den Kopf. Das fehlte jetzt noch.
»Die kommen dich holen, Alter!«, sagt der Flegel neben ihm und schlägt dem Doktor aufs Knie. »Die kannste dann auch voll ankotzen,
ey!« Keckerndes Gelächter begleitet diesen Wortbeitrag. Dr. Constantin Megrette schüttelt die Hand von Kevin Miami hektisch ab. Ist er froh, wenn er diese Proleten endlich los ist. Im
Flieger ist unterdessen Bewegung entstanden. Ein Lufthansa-Mann kommt in Begleitung von zwei hochgewachsenen Bundespolizisten
mit dunklen Trapperhüten die Gangway hinauf. Als das dienstfertige Trio noch ungefähr fünf Meter von Reihe 69 entfernt ist,
schimmert bei Dr. Constantin Megrette zum ersten Mal kurz eine Idee auf
… die werden doch nicht zu mir unterwegs sein …
doch im nächsten Moment hat sich diese ängstliche Ahnung schon wieder verflüchtigt. Absurd. Was würden die von ihm wollen
können? Er ist schließlich …
»Dr. Constantin Megrette?«
Es ist der Mann in der Lufthansa-Uniform, der das Wort an den Doktor richtet.
»Mein Name ist Johannes Willms, ich bin der Kapitän dieses Flugzeugs und ich muss Ihnen mitteilen, dass ich in dieser Angelegenheit
die Interessen der Deutschen Lufthansa AG vertrete.«
»Was für eine Angelegenheit, was wollen Sie?«
Der Kapitän legt die Hand auf Megrettes Unterarm und stoppt dessen Redefluss.
»Sie haben während unseres Fluges in den Toiletten geraucht und haben das auch nach mehrmaliger Bitte und Anweisung unseres
Bordpersonals nicht unterlassen. Damit haben Sie die Gesundheit und die Sicherheit unserer Passagiere gefährdet! Wir werden
diesen Vorgang zur Anzeige bringen müssen, das sind wir der Sicherheit unserer Gäste schuldig. Zudem möchten wir Sie darauf
hinweisen, |136| dass der zwischen der Lufthansa und Ihnen geschlossene Beförderungsvertrag durch Ihr Verhalten einseitig schuldhaft erloschen
ist. Ihr Rückflug von L.A. nach Deutschland wird nicht von der Lufthansa oder einem unserer Partner ausgeführt werden.«
Dr. Megrette schnappt nach Luft.
»Das können Sie nicht … ich bin … ich habe eine Frequent Flyer … meine Company … ich meine … das können Sie nicht so einfach machen!«
»Doch, ich fürchte, das können wir sehr wohl! Aber ich habe auch eine gute Nachricht für Sie«, fährt Flugkapitän Willms fort,
der ohnehin so aussieht, als ob ihm diese Situation auch ein bisschen Spaß bereiten würde.
»Um den Rückflug
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